Gelesene Wut

Nikolai Kinski, Sohn des berühmten Schauspielers Klaus Kinski, tritt morgen, Sonntag, in Trier auf. Im "Chat Noir" auf dem Petrisberg liest er ab 20 Uhr nach dem Motto "Kinski trifft Kinski". Dem TV gab Nikolai Kinski vorab ein Interview.

Wie lebt es sich mit dem berühmten Namen?Nikolai Kinski: Ich bin stolz auf ihn, auch wenn er mein Leben nicht unbedingt leichter macht. Aber wenn ich mit einem anderen Namen auftreten würde, würde man mich ständig fragen, warum ich mich vor meinem Vater verstecke. Inwieweit möchten Sie Ihrem Vater nacheifern?Kinski: Sie meinen, ob ich das "R" rolle? Selbstverständlich kopiere oder imitiere ich den Vortragsstil meines Vaters nicht. Das wäre heute nicht ganz zeitgemäß und eher etwas für einen Stimmenimitator oder Parodisten. Mir geht es darum, die Stimmungen des Autors ernst zu nehmen und glaubhaft mit meinen Mitteln ins Heute zu transportieren.Was empfinden Sie beim Vortragen der Gedichte Ihres Vaters?Kinski: Ich habe erst vor vier Jahren angefangen, deutsch zu lernen. Seit über einem Monat bin ich jetzt mit "Kinski spricht Kinski" auf Tournee. Das Gefühl, Abend für Abend das Publikum in einer Fremdsprache begeistern zu können, ist unschlagbar. Auf was dürfen sich die Zuschauer am Sonntag in Trier freuen?Kinski: Nun, auf gar keinen Fall auf eine Lesung. Ich rezitiere die Gedichte meines Vaters frei und so direkt, wie ich glaube, dass sie beim Schreiben gedacht wurden. Das erfordert sehr viel Konzentration auf beiden Seiten und ist keine Familienunterhaltung im herkömmlichen Sinne.Warum gerade Gedichte Ihres Vaters als Soloprojekt? Was ist das Besondere daran?Kinski: Ursprünglich war das gar nicht meine Idee, sondern die von Suhrkamp. Man hatte mich gebeten, zum Taschenbuch-Release eine Lesung auf der Buchmesse zu halten. Danach hatte mich das "Fieber" gepackt und ich wollte das unbedingt noch einmal besser, auswendig, direkter machen. Gelesene Wut ist wie Autofahren mit gezogener Handbremse. Deshalb habe ich mich zwei Monate eingeschlossen und damit beschäftigt. Anfang Februar war dann mein erster Auftritt in der Berliner "Bar jeder Vernunft".Beschreiben Sie doch mal kurz "Fieber-Tagebuch eines Aussätzigen". Kinski: Die Gedichte meines Vaters sind ein Amoklauf in Richtung Abgrund. Schonungslos legt er seine nackte Seele auf den Tisch und lässt sie frieren. Die Gedichte sind unglaublich persönlich und haben immer ihn, seine Ängste, Nöte, Verzweiflung im Zentrum. Und da jeder hier ein Bild von Klaus Kinski hat, entsteht auch beim Zuhörer ein unglaublicher Reiz, einmal hinter den späteren Mythos zu gucken. Dafür muss man nicht erst sein Sohn sein. Wie wünschen Sie sich Ihre Zukunft, beruflich und privat?Kinski: Mir würde schon reichen, wenn Privates endlich privat bleiben dürfte, und nur Berufliches noch öffentlich interessant wäre. Zur Person Nikolai Kinski wurde 1976 in Paris geboren und wuchs in Kalifornien auf. Er absolvierte seine Schauspielausbildung an der UCLA School of Theater Film and Television in Los Angeles und nahm darüber hinaus Unterricht bei Peter Sellers, Salome Jens und Delia Salvi. Kinski war in zahlreichen amerikanischen Theaterproduktionen zu sehen. Darüber hinaus spielte er in einer Vielzahl internationaler Film- und Fernsehproduktionen. 2006 gewann er die "Goldene Romy" in der Kategorie "Beliebtester männlicher Shootingstar".

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