Gemeinsam erklingen die Stimmen
TRIER. Wer durch Pallien und Trier-West fährt, dem mag sich angesichts von verfallenden Kasernen und löchrigen Straßen der Eindruck aufdrängen, das Viertel hätte schon bessere Zeiten erlebt. Zyniker würden diesen Befund wahrscheinlich auch unbesehen auf das Vereinsleben übertragen. Doch der Schein trügt: Eine Reihe von Vereinen hat sich am westlichen Moselufer gehalten und bietet ein vielseitiges Angebot.
Sicherlich, früher habe es noch mehr Vereine in Pallien gegeben, vor allem Gesangvereine, erzählt Ortsvorsteher Helmut Kress. "Doch das ist der normale Trend, das wird eben immer weniger." Mit dem Quartettverein Trier-Markusberg und dem Gesangverein Trier-Pallien 1876 widmen sich immerhin noch zwei Vereine der Sangeskunst.Der Gesangverein, mit seinen 127 Jahren der Methusalem unter den Palliener Vereinen, zählt momentan 30 Aktive und 85 inaktive Mitglieder. Allerdings fehlt es an Nachwuchs: "Die Jugend ist kaum noch für das Singen zu begeistern", sagt der Vorsitzende Heribert Bisdorf. Das sei ein allgemeines Problem, das sich durch den ganzen Sängerkreis Trier ziehe."Verfehlte Wohnungsbaupolitik"
Hinzu kommt nach Meinung Bisdorfs ein spezielles Problem Palliens, die Wohnungssituation. Durch eine "verfehlte Wohnungsbaupolitik der Stadt" habe sich das Viertel "kolossal verändert" - und zwar zum Negativen. Viele Vereinsmitglieder seien weggezogen, sagt Bisdorf, und die neu Ankommenden seien für das Singen kaum zu gewinnen.Mit dieser schwierigen Situation sehen sich - in unterschiedlicher Intensität - fast alle Vereine in Pallien konfrontiert. Immerhin, sie existieren noch, der SV Trier-West/Euren (Fußball, Tischtennis), der Angel-Club Pallien und der traditionsreiche Schachclub Pallien 1932, der mittlerweile eine Spielgemeinschaft mit Saarburg eingegangen ist. Allerdings verdankt so mancher Verein seine Existenz den Mitgliedern aus anderen Stadtteilen. Nur noch sehr wenige der 65 Mitglieder des Kleingärtnervereins Trier-West, einer von zwei Vereinen dieser Art, wohnen nach Auskunft des Vorsitzenden Fritz Millen im Viertel.Doch gerade die Kleingärtner stehen für eine Art Aufbruchstimmung: Seit im vergangenen Jahr eine neue, jüngere Vereinsführung gewählt worden sei, habe man die Anlage renoviert, das Stromnetz vervollständigt und einen neuen Zaun errichtet, erzählt Millen. Neuer Elan scheint auch den Musikverein Trier-Pallien zu beseelen. "Wir haben eine schwierige Zeit hinter uns", sagt der Vorsitzende Gerd Biedinger. Mittlerweile sei die Zahl der aktiven Mitglieder wieder auf 22 angestiegen. Immerhin neun Jugendliche engagieren sich in dem Verein. "Leider kommen von denen nur zwei aus Pallien", sagt Biedinger. Ein Grund für diese Situation sei auch die schwierige Zusammenarbeit mit der Grundschule. Dennoch sieht der Vorsitzende den Musikverein derzeit "auf dem aufsteigenden Ast".Auf dem sieht sich auch der Turn- und Sportverein (TuS) Pallien, mit 220 Mitgliedern der größte Verein des Stadtteils. Fußball, Handball und Gymnastik kann man beim TuS betreiben. Nach Angaben des Vorsitzenden Ralph Adrian versucht der Verein, das Angebot für Jugendliche über den reinen Sportbetrieb hinaus attraktiv zu gestalten. So veranstalte man Jugendzeltlager und Sommerfeste. Auch an eine Wiederbelebung des traditionsreichen Handballturniers sei gedacht, sagt Adrian. Allerdings sei die Vereinsarbeit in den letzten Jahren schwieriger geworden, "da sich die sozialen Strukturen des Stadtteils stark verändert haben". Deshalb fordert Adrian mehr Unterstützung von der Stadt, um Eltern und Jugendliche besser erreichen zu können. Der erste Schritt dazu wäre nach seiner Meinung der Aus- und Umbau des Martinerhofes zu einem Vereinshaus.Umfangreiches Angebot
Ein Anliegen, das auch dem stellvertretenden Ortsvorsteher Horst Erasmy "unheimlich am Herzen liegt". Pallien sei einer der wenigen Stadtteile, in denen es kein Bürgerhaus gebe. Und das, obwohl das Angebot der Vereine umfangreicher sei als in anderen Vierteln. Denn der Schein trügt in Pallien, trotz aller Probleme.
