"Gleichgewicht gestört"

SAARBURG/TRIER. (jp) Aktenvermerke und Protokolle werfen die Frage auf, ob der Prozess gegen Familie Braunshausen überhaupt hätte geführt werden dürfen. Die Dokumente zeigen, dass die Verbandsgemeinde bereits vor Prozessbeginn die Gefahren am Eiderberg kannte – und dass auch die Verwaltungsspitze an einer generellen Haftung der Ortsgemeinde nicht zweifelte.

Es gab bereits lange vor dem Fall Braunshausen Rutschungen am Eiderberg. "Aus einer vergleichbar anderen Stelle (Anwesen Robert Junk) ist bekannt, dass sich auf einer Gleitschicht Bodenmassen in Bewegung setzen, wenn es durch lang anhaltende Regenfälle zu einer hohen Auflast kommt." Dieses Zitat stammt aus einem Aktenvermerk der Verbandsgemeinde Saarburg nach einem Ortstermin am rutschgeschädigten Anwesen von Stefan und Dorothee Braunshausen. Das von Amtsrat Klaus Wagner unterzeichnete Schriftstück trägt das Datum vom 12. März 1997. Doch Wagners direkter Vorgesetzter, Verbandsbürgermeister Günther Schartz, ließ die Vergangenheit ruhen. In einem Schreiben vom 11. August 1997 teilte Schartz dem Ehepaar Iris und Gernot Basten folgendes mit: "Es besteht seitens der Ortsgemeinde und unsererseits kein Zweifel daran, dass die Baugrundstücke im Baugebiet Eiderberg für eine Bebauung geeignet sind. Dies wird nachhaltig dadurch unter Beweis gestellt, dass bisher an Bauvorhaben, deren Baugrube ordnungsgemäß ausgeschachtet wurde, sich keine oder uns nicht bekannte Baugrundveränderungen eingestellt haben." Ein Widerspruch zu Klaus Wagners Aktenvermerk, in dem von zu tiefen Ausschachtungen keine Rede ist.Schartz verteidigt das Baugebiet

Schartz' Aussage, es habe bis 1997 keine "Baugrundveränderungen" auf Grundstücken "mit ordnungsgemäß ausgeschachteter Baugrube" gegeben, wird auch durch zum Teil mehr als 30 Jahre alte Sitzungsprotokolle des Gemeinderats Freudenburg widerlegt. "Nach starken Niederschlägen kam es am 18. November 1972 oberhalb des Wohnhauses Robert Junk, Freudenburg, Baugebiet Eiderberg, zu stärkeren Erdbewegungen", steht in der Niederschrift der Sitzung vom 23. Februar 1973. Weiter heißt es: "Die eigentliche Ursache für die Rutschung dürfte darin zu suchen sein, dass man durch die für die Bebauung notwendigen Hanganschnitte das natürliche Gleichgewicht dieses an und für sich schon rutschgefährdeten Hangs gestört hat." Wieder keine Rede von zu tiefen Ausschachtungen, stattdessen wird die grundsätzliche Eignung des Eiderbergs als Baugebiet in Frage gestellt. Sprung ins Jahr 1999: Es kam zum Krisengespräch in der Kreisverwaltung. Ortsbürgermeister Michael Braunshausen, Verbandsbürgermeister Günther Schartz, Kreisverwaltungsdirektor Martin Böckel und Landrat Richard Groß gehörten zur Runde, die am 19. Juli 1999 das weitere Vorgehen nach der Niederlage in erster Instanz erörtern wollte. Ein Aktenvermerk der Kreisverwaltung vom 23. Juli 1999, Aktenzeichen 3.003.01, hielt wichtige Aussagen fest: "Kreisverwaltungsdirektor Böckel vermutete aufgrund des erstinstanzlichen Urteils, dass auch in einem Berufungsverfahren keine grundlegend andere Entscheidung getroffen würde." Weiter heißt es: "Auch Bürgermeister Schartz sah die Ortsgemeinde in der generellen Haftung." Und: "Über eine mögliche Haftung der Verbandsgemeindeverwaltung (...) bestand Einigkeit, was auch Schartz so sah." Trotzdem ging man in Berufung, die den Prozess und den Kampf der jungen Familie um weitere vier Jahre verlängerte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort