Göttlich und dämonisch

TRIER. (rm.) Gut zwei Jahre vor der Konstantin-Landesausstellung ist das Interesse am Thema bereits beträchtlich, wie sich bei der Vorstellung von Paul Drägers neuem Buch im Wissenschaftspark auf dem Petrisberg zeigte. Zugpferd der Veranstaltung war Althistoriker Alexander Demandt (Berlin), einer der wissenschaftlichen Leiter der Konstantin-Schau 2007.

Trier vereinnahmt den Römerkaiser mit dem Beinamen "der Große" gerne für sich. Er ist der herausragendste aller "Trierer" Regenten aus 2023 Jahren Stadtgeschichte. Doch vieles von dem, was die Trierer vom großen Imperator zu wissen glauben, basiert auf schönfärberischen Legenden des Mittelalters. Sie dürfen sich freuen auf eine sehr spannende Auseinandersetzung mit dem Phänomen Konstantin und eine Ausstellung, die ihre Stadt 2007 wie zu Konstantins Zeiten im ersten Drittel des 4. Jahrhunderts in den internationalen Blickpunkt rücken wird.Sex and Crime aus dem Mittelalter

Das machte eine interessante Doppelveranstaltung im Wissenschaftspark auf dem Petrisberg deutlich. In Teil eins stellte Paul Dräger den 130 Besuchern sein neues Buch "Historie und Herkunft über Jugend Constantins des Großen und seine Mutter Helena" (Kliomedia-Verlag Trier, 24,90 Euro) vor. Inhalt: "Sex and Crime" pur. Die schöne Helena, Pilgerin aus Trier, wird in Rom von Kaiser Constantius Chlorus vergewaltigt. Aus Scham kehrt sie nicht in die Heimat zurück. Der Sohn, den sie heimlich zur Welt bringt, wird von Kaufleuten entführt und in Byzanz ironischerweise als das, was er ist, nämlich als römischer Kaisersohn an die griechische Kaisertochter verkuppelt. Den Plan, das Brautpaar sterben zu lassen und in den Besitz der Mitgift zu kommen, vereitelt allerdings die göttliche Vorsehung, die schon das ganze Geschehen bestimmte. Der lateinische Text dieser wohl um 1200 von einem anonymen Verfasser niedergeschriebenen "Historie" ist erst seit 1879 bekannt. Sein Entdecker, der sächsischen Gymnasiallehrer Heydenreich, stellte ihn damals während der 34. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner in Trier vor. Dräger (62), in Oberbillig lebender Ex-Gymnasiallehrer und Uni-Lehrbeauftragter und jetzt als freier Autor, Übersetzer, Literaturkritiker und Wissenschaftshistoriker tätig, präsentiert nebst ausführlicher Kommentierung die "geniale Geschichte" erstmals in deutscher Übersetzung. Christ oder Machtmensch, gläubig oder berechnend, Fanatiker oder Opportunist? Die Frage, was und wie Konstantin denn wirklich war, entzweit die Experten nach wie vor. Alexander Demandt (68; Freie Universität Berlin), einer der renommiertesten Althistoriker, zeichnete in seinem Vortrag über Konstantin "in Geschichte und Legende" einen Charakter, dem christliche Nächstenliebe fremd war. Im Trierer Amphitheater ließ er zwei Frankenkönige von Bestien zerreißen ("Vermutlich von Bären; Löwen waren zu teuer"). Rivalen beseitigte er konsequent, selbst in der eigenen Familie ging er über Leichen. Auch führte er das Säcken wieder ein: Todeskandidaten mit Schlangen in einen Sack stecken und ertränken. Für Demandt gehört Konstantin "zu jenen dämonischen Charakteren, die nur historisch zu begreifen sind". Auch wenn er eine gemischte Erbschaft hinterlasse, so sei er der Begründer des christlichen Europa: "Wie damit umzugehen, bleibt jedem Einzelnen überlassen."

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