Gras über den Graben

PFALZEL. Vor 60 Jahren sollte er Menschenleben retten: Der Splittergraben in Pfalzel. Das zick-zack-förmig angelegte und überdachte Betonbauwerk sollte Schutz vor Fliegerbomben bieten. Jetzt macht es wieder von sich reden.

Es sind nur wenige Schritte von Helmut Beßlichs Haus zu dem Splittergraben, der sich seit Jahrzehnten nur noch andeutungsweise unter Erde, Gras und Gebüsch abzeichnet. Nun werden nächste Wochen Bagger rollen, um die Fläche im Mäusheckerweg, gleich hinter dem Pfalzeler Stern, zu roden. Denn auch dieser Bereich ist Teil des Neubaugebietes.Der 76-jährige Helmut Beßlich kann sich noch gut an den Splittergraben erinnern. Im Jahr 1944, vielleicht auch etwas früher, entstand das rund 40 Meter lange und jeweils drei Meter hohe und breite Bauwerk, das Menschen Schutz vor Bomben bieten sollte. Soldaten, die Zwischenstation auf dem Weg in die Ardennenoffensive im Ehranger Verschiebebahnhof machten, sollten ebenso wie die Arbeiter im Bahnbetriebswerk in dem Splittergraben Deckung finden. Im Falle eines Fliegeralarms mussten die Menschen vom Bahnhof um ihr Leben rennen, bis sie den 700 bis 800 Meter entfernten Splittergraben erreichten. Doch etliche, glaubt Beßlich, maßen dem Bauwerk nicht allzu viel Sicherheit bei - sie suchten ihr Heil lieber in Gewölbekellern. So auch Beßlich, der bei dem verheerenden Bombenangriff Weihnachten 1944 auf Urlaub in Pfalzel war. Der blutjunge Soldat suchte mit Mutter und Schwestern Schutz in einem der alten Keller. Die Familie Beßlich hatte Glück: "Unser Haus steht noch", rief er seiner Mutter nach dem Bombenhagel zu. Auch Regina Flesch war mit ihrer Schwester und zwei Kindern zum Gewölbekeller eines Tanzlokals geeilt, um Schutz zu suchen. Doch die Sicherheit des Gewölbekellers trog: 30 bis 40 Menschen kamen allein dort ums Leben, als das Gebäude zerstört wurde.Regina Flesch überlebte den Angriff. "Wir hatten Glück und wohl einen gütigen Schutzengel", erinnert sie sich. Denn auf dem Weg zum Gewölbekeller nahten die ersten Flieger - die Zeit reichte nicht mehr, das Tanzlokal zu erreichen. Sie kehrten zu ihrem Haus in der heutigen Pfalzgrafenstraße zurück und kamen gerade noch in ihren eigenen Keller, bevor Bombe auf Bombe fiel.Auch der Splittergraben überstand den Krieg und die Jahre danach. Zunächst ein Spielplatz für Jugendlichen, wurde er mit Bauschutt aufgefüllt. Darauf wurden Bäume gepflanzt, heute präsentiert sich der Bereich als Schmuddelecke und Hundeklo.Von behördlicher Seite, meint Beßlich, wurde das Bauwerk nie beachtet. Nun wird im Zuge des Neubaugebietes das Betonbauwerk aufgefüllt oder abgetragen.

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