Große Koalition im trauten Heim

TRIER. Wer ist schon älter als seine Schwiegermutter? Rainer Hülsmann genießt dieses erstaunliche Privileg. Der Trierer Anwalt, Jahrgang 1943, hat im Jahr 2000 Katrin Braun geheiratet – Jahrgang 1978. Und der Altersunterschied von 35 Jahren ist nicht das Einzige, was dieses Paar vom Durchschnitt abhebt.

"Ist das Ihre Tochter?", sagen die Damen da und dort an den Hotel-Rezeptionen. Sie könnten sich auch indiskreter verhalten und fragen, ob Rainer Hülsmann jetzt vielleicht seine junge Geliebte mit aufs Hotelzimmer nimmt. Damit kämen sie der Wahrheit tatsächlich ein gutes Stück näher. Katrin Braun-Hülsmann, 27, und Rainer Hülsmann, 62, sind tatsächlich ein Paar, verheiratet seit fünf Jahren. Und der Altersunterschied von 35 Jahren, der bei manchen Zeitgenossen reichlich Vermutungen nähren könnte? "Der wird uns erst bewusst, wenn uns jemand darauf anspricht", erklärt Katrin.Guildo Horn war der "Ehestifter"

Ehestifter - wenn man das so nennen will - war ausgerechnet Guildo Horn. Bei dessen Faschingskonzert im Februar 1996 haben sie sich kennen gelernt. "Ich war begeistert von der Jugendlichkeit dieses Mannes, von seiner Aufgeschlossenheit, seinem Witz", sagt Katrin. Rainer Hülsmann assoziierte bei der ersten Begegnung den Begriff "Traumfrau". Und so kam es, dass Rainer und Katrin ein glückliches Ehepaar wurden - manchmal ein wenig kontrovers und trotzdem sehr harmonisch. Rainer Hülsmann, der seit 1976 als Rechtsanwalt in der Innenstadt praktiziert, ist ein Trierisches Urgestein, in Trier geboren und mit Trier eng verbunden. Wenn er auf das angesprochen wird, was ihn mit der Stadt an der Mosel verbindet, dann erwähnt er nicht die Touristenattraktionen Porta, Basilika oder Thermen, sondern die Dinge, die wirklich heimisch machen: die Freundschaften, die Kultur, ohne die der passionierte Theatergänger nicht auskommt, auch den Beruf, in dem Menschen eine wichtigere Rolle spielen als Paragrafen. Katrin Braun, seit ihrem achten Lebenstag gleichfalls in Trier, wird im April ihr zweites juristisches Staatsexamen ablegen und arbeitet an einer Doktorarbeit. Juristin wollte sie schon immer werden, sagt sie. Rainer habe bei dieser Wahl keine Rolle gespielt. Und wenn sie zur Frau Doktor Braun-Hülsmann geworden ist, wird sie gemeinsam mit einer Kommilitonin ein Anwaltsbüro eröffnen. Da demonstriert die begeisterte Tennisspielerin zähe Zielstrebigkeit. Und der Ehemann denkt schon mal leise über die schönen Dinge des außerberuflichen Lebens nach. Während der Unterhaltung läuft Sohn Tom, der im kommenden Frühjahr sein zweites Lebensjahr vollendet, neugierig-entspannt im Zimmer herum und hantiert mit Kochtöpfen. Den Filius expedieren die Eltern ins Bett und gehen dann bei der innerehelichen Diskussion ans Eingemachte. Ins Bodenlose soll niemand fallen

Im Hause Hülsmann könnte sich nämlich tagtäglich ein heftiger Parteienstreit abspielen. Er ist seit langem Sozialdemokrat, hält fest zur Partei. Sie, seit Herbst 2002 CDU-Mitglied, ist sogar Mitglied im Ortsbeirat Heiligkreuz. Kommunalpolitisch sind die Differenzen eher gering. Aber über die bundesweite Sozialpolitik entspinnt sich tatsächlich ein kleiner Streit - wenn man den mit leicht erhobener Stimme geführten Dialog überhaupt Streit nennen will. Wirklich grundlegend sind die Unterschiede nämlich nicht. Existenzsicherung für alle - selbstverständlich! Vielleicht ein wenig großzügiger, meint Rainer. Nein, keine Hängematte auf Staatskosten, sagt Katrin streng und nachdrücklich. Aber ins Bodenlose soll nach gemeinsamer Überzeugung niemand fallen. Und so ergibt sich eine Große Koalition - im richtigen Leben genau wie in der hohen Politik. Man streitet sich, ist aber im Grundsatz weitgehend einer Meinung, möchte das nun wieder nicht so deutlich sagen und verbindet sich dann doch zur fröhlichen Liaison. Bei Katrin und Rainer genauso wie bei Angela und Franz. "Es ist unsere erste Ehe, und hoffentlich auch unsere letzte", sagen beide Hülsmanns. Das allerdings unterscheidet sie nun doch deutlich von der Politik.

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