Gute Geister und böse Buben

KERNSCHEID. Die Insel der relativ Seligen liegt auf der Höhe: In Kernscheid ist die Welt wieder in Ordnung. Seit der Ausbau des Kernscheider Höhenwegs abgeschlossen ist, plagen die Stadtteil-Gemeinschaft kaum noch Sorgen.

Probleme? Im Gegensatz zu den meisten seiner 18 Ortsvorsteher-Kolleginnen und Kollegen muss Horst Freischmidt da erst einmal nachdenken: "Nein", sagt er, "Im Großen und Ganzen können wir zufrieden sein." Aber halt: Eine Sorge drückt den 61-jährigen CDU-Kommunalpolitiker doch noch: "Wie es aussieht, schließt zum Jahresende unsere letzte Gaststätte."Dann verliert eine für Trierer Verhältnisse sehr exotische Infrastruktur einen bedeutenden Eckpfeiler. Fleisch, Wurst, Eier, Milch, Honig, Viez und Schnaps können die Kernscheider nebenan beim Bauern und Imker kaufen, zwei Schreinereien und einen Friseursalon gibt es. Wer nicht will, muss die Kernscheider Höhe gar nicht verlassen, denn fahrende Bäcker und Lebensmittelhändler ersetzen die Geschäfte, die schon vor Jahren dicht gemacht haben. Aber wenn noch das Gasthaus Willems schließt, "dann wäre das bitter für die Dorfgemeinschaft", sagt Freischmidt.Dem Latein- und Griechisch-Lehrer am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium geht es wie den meisten Zugezogenen: Wer einmal in Kernscheid sesshaft geworden ist, will dort nicht mehr weg, trotz diverser Tücken der Verkehrsanbindung. Die Luftlinien-Entfernung vom Mariahof nach Kernscheid beträgt knapp zwei Kilometer, der (legale) Auto-Weg durchs Nadelöhr Olewiger Straße ist fünfmal so lang."Unser Zusammenhalt ist so, wie unsere Luft: gut und gesund", weiß Freischmidt. Den gebürtigen Heiligkreuzer (und Vorsitzenden des VfL Trier) und seine Frau zog es 1976 in das 1969 eingemeindete Dorf, das neben landschaftlicher Idylle noch einen weiteren Vorzug bot: günstige Preise in den Neubaugebieten Zum Höchst und Osbüsch. Die Einwohnerzahl lag 1970 bei rund 600 und pendelte sich ab Mitte der 80er-Jahre bei knapp unter 1100 ein.Dem Bevölkerungszuwachs trug die 1979 gegründete Spiel- und Sportgemeinschaft (SSG) Rechnung: "Der Verein bietet weit mehr als nur Sport", lobt der Ortsvorsteher mit Blick auf die in Eigenleistung gebaute Mehrzweckhalle. "Er ist auch ein sozialer Träger und führt Menschen aller Generationen zusammen". Geselligkeit inklusive: Die SSG veranstaltet Familienwanderungen und Seniorennachmittage, ihre Oktoberfeste ziehen Publikum auch aus Irsch und Franzenheim an.Apropos Irsch: Neben einer "gesunden Rivalität, die mehr scherzhafter Natur ist", pflegen viele Kernscheider enge Beziehungen dorthin. Mangels eigenem Sportplatz und Kulturvereinen kicken, singen oder musizieren sie im Nachbarstadtteil.Auch die "Bösen Buben" weichen ins Exil aus: Der Kernscheider Kegelclub trägt seine "Heimspiele" auf der Heiligkreuzer Anlage aus. Wohingegen die "guten Geister" vor Ort ihr gemeinnütziges Wirken entfalten. "Wir haben hier einige Leute, die sich in vorbildlicher Weise ehrenamtlich betätigen, sei es in der Ortsbild-Pflege oder bei der Senioren-Betreuung", berichtet Freischmidt stolz; "Wir packen selber an und schreien nicht immer nach der Stadtverwaltung." Dass zudem "jeder jeden kennt und bei uns alles sehr übersichtlich ist", bewirkt laut Freischmidt eine positive Form sozialer Kontrolle: "Wir haben kein Jugendproblem. Wenn einer randalieren will, dann haben wir ihn direkt am Kanthaken."Am Montag in unserer Stadtteil-Serie: Kernscheider packen heiße Eisen an - die Kunstschmiede Apel.

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