Handwerkskunst im Müllcontainer

TRIER. Über mehrere Jahre hinweg saniert das Land das Kurfürstliche Palais am Willy-Brandt-Platz, Sitz der Landesbehörde ADD. Zurzeit laufen die Arbeiten im Foyer – die wertvollen Fenstergitter verschwinden dabei aus denkmalpflegerischen Gründen. Darüber, dass die schmiedeeisernen Gitter in Müllcontainern gelagert wurden, wundern sich allerdings nicht nur Passanten.

Der Blick, den die Passantin in den großen Müllcontainer wirft, ist sehnsüchtig. "Schade, dass wir nur ein kleines Auto dabei haben, die könnte ich gut gebrauchen", scherzt sie. Tatsächlich ist das, was da im schmutzigen Container scheinbar auf die Verschrottung wartet, nicht nur von hohem Wert, sondern auch wunderschön: Ein kunstvoll handgefertigtes, schmiedeeisernes Gitter von rund 2,50 mal vier Metern Größe - brachial in zwei Teile "auseinander gebrannt". Ein zweites Gitter liegt auf dem Containerboden.15 000 Euro im Müllcontainer

Kunstschmied Werner Schäfer blutet das Herz. "Das sind die teuersten, handwerklich hochwertigsten Tore, die wir in Trier haben. In diesen Gittern steckt so viel Handarbeit drin - es ist eine Schande, sowas so unfachmännisch zu zerlegen." Schäfer, dem die "Kleine Schmiede" in der Mustorstraße gehört, hat die Gitter zwar nicht selbst gefertigt, schätzt aber die hochwertige Arbeit des Kollegen. Für jeden Knotenpunkt der dutzenden Rauten müssen die Eisenstangen mit Hammer und Stechspatel auseinander getrieben werden, damit die zweite Stange durchgeführt werden kann. Jedes der Blütenblätter ist einzeln und per Hand herausgetrieben. "Um ein solches Gitter zu fertigen, wären mein Geselle und ich rund zwei Wochen beschäftigt", sagt Schäfer. Geschätzter Wert der Gitter: 10 000 bis 15 000 Euro. Dass die Gitter ohne Sachverstand mit schrägem Schnitt unsauber geteilt und die Befestigungsösen brachial "heraus gebrannt" wurden - dafür hat Schäfer kein Verständnis. "Dass die Gitter 'raus müssen aus dem Palais, ist die eine Sache. Aber man hätte sie sehr gut zwischenlagern und an anderer Stelle verwenden oder verkaufen können - aber so, wie sie jetzt bearbeitet wurden, ist das nur noch mit viel Aufwand möglich." Tatsächlich finden die Gitter, die von innen vor die großen Bogenfenster im Erdgeschoss des Palais gesetzt waren, bei der Restaurierung des Barockgebäudes keine Verwendung mehr. "Die Gitter wurden in den 60er- Jahren - in Zeiten des Terrors in Deutschland - zur Sicherung des öffentlichen Gebäudes angebracht", erklärt Rolf Kuhn, zuständiger Architekt beim Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB), der das Gebäude für das Land verwaltet."Entgegen der Absicht des Landes"

Aus denkmalpflegerischen Gründen würden die Gitter nun entfernt, da eine solche Fenstervergitterung nicht zur ursprünglichen Gestaltung des Palais gehöre. "Doch natürlich ist es nicht unsere Absicht, diese hochwertige Handarbeit zu verschrotten", betont Kuhn. Vielmehr sei geplant, die Fenstergitter zwischenzulagern und später bei Restaurierungen anderer historischer Gebäude zu verwenden. "Zum Beispiel haben wir eine Anfrage von der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein", erklärt Kuhn. Warum die Gitter am Donnerstagnachmittag für jeden zugänglich in dem offenen Container lagen, dafür hat Kuhn allerdings keine Erklärung. Auch nicht, warum die Gitter nach Einschätzung von Fachmann Schäfer unsachgemäß und brachial zerlegt wurden. "Doch ich werde bei der beauftragten Abbruchfirma nachhören - so war das Ganze von uns ganz sicher nicht gedacht", sagt Kuhn.

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