Heiligabend auf der Flucht

Der Dezember 1944 ist uns heute noch wie eingebrannt. Die Vorfreude auf Weihnachten wurde uns im wahrsten Sinne des Wortes verhagelt. Wir hausten schon wochenlang im Keller, weil die Stadt ständig unter Artilleriebeschuss stand. Durch die Zwangsevakuierung von Müttern mit Kindern und älteren Leuten nach Thüringen war die Bevölkerung der Stadt fast um die Hälfte gesunken. Nur Dienstleistende erhielten die Genehmigung zu bleiben.Wir besaßen ein Lebensmittelgeschäft und erhielten den Bescheid, zu schließen, weil die Front immer näher rückte. Das war am 19. Dezember 1944. Während wir unser Geschäft ausräumten, kam ganz überraschend der erste Bombenangriff.Am 21. Dezember 1944 erfolgte dann der zweite, noch heftigere Angriff. Wir hatten großes Glück, heil aus den Trümmern heraus zu kommen und trafen Vorbereitungen, aus der Stadt zu flüchten.Am 23. Dezember 1944 haben wir dann mit Handwagen und Habseligkeiten in Richtung Mosel die Stadt verlassen. Als wir eine gute Weile unterwegs waren, erlebten wir, wie ein erneuter Bombenhagel über Trier niederging.Es war ein sehr strenger Winter (die Mosel war zugefroren) und vor lauter Angst spürten wir weder Hunger noch Kälte. Zudem wurden wir auf unserem Fluchtweg von Tieffliegern beschossen.In einem Ort an der Mosel war ein Flüchtlingsauffanglager, und wir bekamen dort etwas zu essen und konnten auch übernachten.Am 24. Dezember marschierten wir wieder los und kamen gegen Abend an unserem Zielort Neumagen an, wo wir von guten Bekannten aufgenommen wurden. Heiligabend bescherte uns ein Dach über dem Kopf, Wärme und ein bescheidenes Essen.Erschöpft von den Strapazen der Flucht, waren wir froh, dass wir alles körperlich gut überstanden hatten. Das war Weihnachten 1944. Christel Alt, Trier, 79 Jahre alt, ehemalige kaufmännische Angestellte.

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