Heilsame Gespräche mit Gleichgesinnten

TRIER. Ein freundlicher Raum, etwa 15 Leute sitzen an hellen Holztischen und diskutieren eifrig über gemeinsame Unternehmungen und Projekte. Eine alltägliche Szene - so scheint es. Aber alle hier versammelten verbindet eine Besonderheit: sie alle haben schon einmal eine seelische Krise durchlebt.

Seit 1995 besteht in Trier die Ortsgruppe der Psychatrie-Erfahrenen. Bei den zweimal monatlich stattfindenden Treffen kommen regelmäßig 15 bis 20 Personen zwischen 30 und 50 Jahren zusammen, die das Gespräch mit Gleichgesinnten suchen, gemeinsam Projekte und Aktionen planen. Vor mehr als sieben Jahren rief Franz-Josef Wagner mit fünf bis sechs weiteren Psychiatrie-Erfahrenen die Selbsthilfegruppe ins Leben. Zunächst wollten sich die Betroffenen für eine stärkere soziale Integration psychisch Kranker einsetzen. Ferner, so Wagner, "wollten wir gegen die Stigmatisierung psychisch Kranker vorgehen und beispielsweise durch Gremienarbeit einen Weg aus der Isolation auftun." Dieses Vorhaben ist sicherlich geglückt, sind doch heute Psychiatrie-Erfahrene in zahlreichen Gremien wie im Landespsychiatriebeirat, dem Verein zur Unterstützung Gemeindenaher Psychiatrie und dem LIGA- Ausschuss Psychiatrie vertreten. Die Gremienarbeit stellt aber nur einen Aspekt der zahlreichen Aktivitäten der Gruppe dar. Maßgeblich wirken die Trierer auch an der einmal jährlich vom Landesverband Psychiatrie-Erfahrener organisierten Fachtagung mit, oder geben für den Landesverband das jährlich erscheinende Selbsthilfejournal "Leuchtfeuer" heraus. Lange Zeit veranstalteten sie überdies Psychose-Seminare. Hinzu kommen Unternehmungen zur sozialen Integration der Mitglieder: Städtefahrten, Grillabende im Sommer oder gemeinsame Feiern. Ein wichtiges Thema stellt für die Betroffenen die noch immer vorhandene Stigmatisierung psychisch Kranker dar. Gerade 2003, im europäischen Jahr der Behinderten, möchten sich Franz-Josef Wagner und die anderen Gruppenmitglieder gegen die Ausgrenzung psychisch Kranker und die Gleichsetzung mit geistig Behinderten wehren. Wagner: "Neben geistig und somatisch Behinderten gibt es auch psychisch Behinderte, da sollte man klar unterscheiden." Wesentliche Bedeutung hat auch der Kontakt untereinander. Viele suchen Halt und Unterstützung in der Gruppe. Dort können sie über psychische Probleme reden, sich Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, anvertrauen. Doch wer neu dazu kommt, steht zunächst vor einer Hemmschwelle - es erfordert Mut, sich vor der Gruppe zu öffnen. Zentral ist daher das Prinzip der Freiwilligkeit: Jeder bringt sich so viel oder wenig ein, wie er Lust hat, niemand wird zu etwas gedrängt. Wichtig ist es den Gruppenmitgliedern auch, dass jeder in der Gemeinschaft so akzeptiert wird, wie er ist, auch in weniger leistungsstarken Phasen, was in der normalen Gesellschaft häufig nicht gewährleistet ist. So sagen viele heute: "Ich bin froh, dass es diese Gruppe gibt." Neben aller Geselligkeit beinhalten die regelmäßigen Zusammenkünfte für manche auch eine therapeutische Komponente. Geht es jemandem einmal nicht gut, oder verhält er sich anders als sonst, wird dies in der Gruppe erkannt und angesprochen - eine Art Frühwarnsystem für psychische Krisen also. Wer sich für die Gruppe interessiert, wendet sich an Johannes Marxen, Telefon 0651/24848. Er kann auch zum Treffen am zweiten und vierten Dienstag im Monat ab 17 Uhr zur Alten Schmiede, Petrusstraße 22, kommen.

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