Heine oder Humboldt

Der Antrag kam von der CDU, den Beschluss fasste der Stadtrat. Dennoch müssen die Schüler, Eltern und Lehrer des Hindenburg-Gymnasiums allein nach einem neuen Namen für ihre Schule suchen.

Trier. Ob Studiendirektor Ralph Borschel, kommissarischer Leiter des Hindenburg-Gymnasiums, der CDU für die Ende Januar eröffnete Debatte um eine Änderung des Namens seiner Schule dankbar ist oder die Christdemokraten seitdem regelmäßig in die tiefste Hölle verwünscht, ist nicht bekannt. Er schweigt dazu ebenso beharrlich wie diplomatisch. Dennoch liegt die Hauptlast der Verantwortung jetzt bei ihm. Es darf bezweifelt werden, ob er diese Rolle wirklich übernehmen wollte."Wir wollen in unserem Haus einen Vorschlag finden", sagt Borschel im TV-Gespräch. "Dafür gibt es allerdings noch keinen Zeitplan." Aber eine grobe Schätzung? Borschel: "Vielleicht Anfang Juni."Eine sehr optimistische Schätzung. Ralph Borschel hat das hohe Ziel, die drei Fundamente seiner Bildungsstätte - Eltern, Schüler und Lehrer - zusammenzubringen, sie auf gleicher Augenhöhe verhandeln und diskutieren zu lassen und dann eine gemeinsam erarbeitete und für alle tragfähige Lösung zu präsentieren. Das wird nicht einfach. Eltern und Lehrer wollen Paul von Hindenburg, den zweiten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, nicht mehr als Namens-Paten ihrer Schule haben, die Mehrheit der Schüler dagegen will ihn behalten (der TV berichtete).Borschel und seine Schule haben nicht um diese Aufgabe gebeten. Sie lernen nur gerade, wie tückisch die Kommunalpolitik sein kann. Der Stadtrat hat am 6. März beschlossen, dem Antrag der CDU stattzugeben und die Änderung des Schulnamens anzustreben. Mit diesem Beschluss wurde die Verwaltung offiziell beauftragt, "die zur Umbenennung notwendigen Schritte einzuleiten, das erforderliche Benehmen mit den zuständigen Schulgremien herzustellen und sodann dem Rat einen Entscheidungsvorschlag zur Beschlussfassung vorzulegen."Rein in den Ausschuss, raus aus dem Ausschuss

Das Thema landete anschließend auf der Tagesordnung des unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden Kulturausschusses. Und der einigte sich darauf, "das Hindenburg-Gymnasium aufzufordern, sich auf einen Namen für die Schule zu einigen und diesen Vorschlag im Ausschuss vorzustellen und zu erläutern." Im Klartext: Es ist schließlich eure Schule und deshalb auch eure Aufgabe.Also müssen Eltern, Lehrer und Schüler zusammenkommen. Aus informierten Kreisen erfuhr der TV den Stand der Dinge. Die Lehrer haben fünf Favoriten: Heinrich Heine, Hermann Hesse, die Von-Humboldt-Brüder Wilhelm und Alexander (womit die Schule praktischerweise "das HGT" bleiben würde) und Jean Monnet.Die Eltern, repräsentiert durch den Schulelternbeirat, sind mit Heine und den beiden von Humboldts einverstanden. Auf ihrer Liste stehen noch Marie Curie und Andreas Hoevel, ein in Pallien geborener Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.Die Schüler sind als einzige der drei Gruppen mehrheitlich gegen eine Umbenennung. Trotzdem akzeptieren sie Heine und von Humboldt und bringen noch Albert Schweitzer mit ins Spiel. Meinung Der Schwarze Peter In der Hindenburg-Diskussion steckt viel politisches Kapital, denn während der Kommunalwahl 2009 werden sich viele noch gut an die Substanz der Argumente erinnern. Doch ebenso hoch ist das Risiko. Und dieses haben die Verwaltung, der Kulturausschuss und Dezernent Ulrich Holkenbrink mal eben komplett an die Schule weitergereicht. Die Strategie: Wenn wir die finale Debatte über den neuen Namen auf die Schule abwälzen, müssen wir auch am Ende nicht die politische Verantwortung übernehmen, falls dieser Name den Wählern nicht passen sollte. Ralph Borschel hat jetzt den Schwarzen Peter in der Hand. Man kann ihm nur die Daumen drücken. Die seit Monaten engagiert diskutierende Öffentlichkeit bleibt dabei völlig außen vor. Die Politik will keine Diskussionsrunden, keine Ratssitzungen mit Transparenten, auf denen "Wir wollen Heine" steht. Sie will hinter verschlossenen Türen eine Lösung erarbeiten und diese hinterher als Absolutum verkünden. Wie so oft in Trier. j.pistorius@volksfreund.de

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