Helfen, aber nicht selbst zum Opfer werden

Ein Mensch ist in Not. Er wird bedroht oder sogar massiv angegriffen. Ein Augenzeuge will eingreifen. Doch was kann er tun, ohne dabei selbst zum Opfer zu werden? Der TV sprach mit Experten über das Thema "Zivilcourage in Trier".

Trier. Dominik Brunner wollte helfen. Der 50-jährige Manager hatte sich im September in einem Münchner S-Bahnhof schützend vor vier Kinder gestellt, die von Jugendlichen bedroht worden waren. Dadurch wurde Brunner selbst zum Ziel der Angreifer. Er wurde von einem 17- und einem 18-Jährigen totgeprügelt.

Dieser Fall hat die Diskussion über die richtige Reaktion in solchen Notsituationen wieder intensiviert. In Trier hat sich eine Initiative gebildet, die Angebote schaffen und vernetzen will, das effektive Helfen und das Verhalten bei Gefahr langfristig und nachhaltig zu thematisieren und zu trainieren.

"Wir wollen Chancen und Wege aufzeigen, einzugreifen und gleichzeitig darauf zu achten, nicht selbst zum Opfer zu werden", sagt Markus Pflüger im Namen der Arbeitsgemeinschaft Frieden. Dieser gemeinnützige Verein mit 260 Mitgliedern setzt sich seit der Gründung vor 30 Jahren für Frieden und Gewaltfreiheit ein.

Zur Initiative "Zivilcourage in Trier" gehören Experten für Psychologie und Selbstverteidigung ebenso wie Repräsentanten der Polizei und des Frauennotrufs. Der TV sprach mit den Leistungsträgern über Ziele und Methoden.

Ursula Panschar ist die Vorsitzende des Vereins Karate-Do und Selbstverteidigung Trier und thematisierte die Gewaltanwendung in Notwehr. "Dieser Schritt darf erst kommen, wenn alles andere versagt hat", betont sie. "Selbstverteidigung bedeutet auch, Gefahrensituationen vorher zu erkennen und dann zu vermeiden."

Ingrid Gödde sprach für den Frauennotruf Trier: "Mehr als 70 Prozent der körperlichen Gewalt spielen sich im sozialen Umfeld des Opfers ab. Die Info-Arbeit, die wir leisten müssen, soll das Bewusstsein dafür schärfen, wie schnell man zum Opfer werden kann. Die Polizei wartet nicht immer an der nächsten Ecke. Wenn niemand da ist, der mir helfen kann, muss ich bereit sein, zu kämpfen. Möglicherweise um mein Leben."

Uwe Konz ist der Jugendbeauftragte der Polizeidirektion Trier. "Notwehr ist die Verteidigung, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich selbst oder anderen abzulenken", sagte der Polizist. "Ebenso wichtig ist die unterlassene Hilfeleistung." Ein Augenzeuge muss jede Hilfe leisten, die zumutbar ist. "Das heißt nicht, dass sich jeder, der Zeuge eines Angriffs wird, sofort in den Kampf stürzen muss. Aber der Handy-Anruf bei der Polizei, das Rufen um Hilfe und hinterher die Aussage als Zeuge - das ist zumutbar."

Julia Jäger ist Psychologin und Trainerin für Gewaltprävention in Trier. "Man muss einen Blick haben für die Situation anderer und für Vorgänge im öffentlichen Raum. Das beginnt lange vor den ersten Faustschlägen. Rechtsex tremismus, Alltags-Rassismus, Ausgrenzung, Bedrohung - all das spielt sich im öffentlichen Raum ab, und hier muss man die Hemmschwelle überwinden, argumentativ dagegen vorzugehen."

Thomas Kupczik ist Trainer für Zivilcourage in der Arbeitsgemeinschaft Frieden. "Ein Augenzeuge muss seine Möglichkeiten realistisch einschätzen können. Aber er darf auf gar keinen Fall völlig passiv bleiben. Zivilcourage kann man lernen und trainieren." EXTRA Training und Seminare: Die Arbeitsgemeinschaft Frieden ( www.agf-trier.de) wird 2010 Zivilcourage-Trainings sowie eine Ausbildung zum Trainer für Zivilcourage anbieten. Die Seminare sollen vermitteln, dass jeder sinnvoll eingreifen kann, ohne sich selbst zu gefährden. Nicht die Heldentat ist gefordert, sondern Interventionen, die eine weitere Eskalation verhindern. Die Teilnehmer können ausprobieren, welche Art des Eingreifens zu ihnen passt. Der Verein Karate-Do und Selbstverteidigung Trier ( www.selbstverteidigung-trier.de) bietet ein vielschichtiges Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungs-Training für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an, dessen Bandbreite vom eintägigen Workshop bis zum regelmäßigen Training reicht. (jp)

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