Hiebe für die Häscher

TRIER. Kaufhausdetektive sind verschwiegen: Keine Namen, keine Fotos, keine Details. Aus gutem Grund, denn Drohungen und Angriffe gehören zum Alltag im elfstündigen Arbeitstag rund um König "Kostenlos-Kunde". Erst, wenn das Jagdfieber erwacht, bröckelt die beinharte Fassade der zivilen Ermittler.

"Wenn der Name in die falschen Hände gerät!" Georg Stein (39, alle Namen von der Redaktion geändert) verdreht vielsagend die himmelblauen Augen. "Dann: Knocking on heavens door”, ergänzt Kollege Siegmar Werner (25). Sein Gesicht bleibt regungslos, als er erzählt, wie er erst letzte Woche beim diskreten Zugriff gegen Unbekannt zu Boden ging.Alles im Blick im Überwachungsraum

Ein neues Hemd hätte sich der Täter einfach übergezogen, unbezahlte Schuhe unter dem Arm wollte er dann das Kaufhaus, für das die Detektive Streife schieben, einfach so verlassen. Als Werner ihn im Ausgangsbereich - bewaffnet nur mit seiner Einkaufstüte, dem Accessoire der Unauffälligkeit - freundlich ansprach ("Möglicherweise haben Sie vergessen zu bezahlen, kommen Sie, wir holen das nach"), wurde ihm auch schon die Brille aus dem Gesicht geschlagen. Über die eingefrorene Stirn des kleinen Mannes mit dem gepflegten Bart huscht kurz der Hauch einer Zornesfalte beim Erzählen. Entkommen konnte der dreiste Hemdendieb dennoch nicht. "Jetzt ist er wegen räuberischem - statt einfachem - Diebstahl dran", erklärt Kollege Stein, ohne aufzuschauen. Während Steins Finger rasant über die Tasten am Steuerungspult der Videozentrale flitzen, verformen sich die Augen zu Schlitzen. Hier im Überwachungsraum schlägt das Herz der Abwehrkräfte: Vier Monitore mit jeweils bis zu 16 Bildern lassen fast den ganzen Laden gleichzeitig vor den Ermittlern erscheinen. Bei Verdacht wird fokussiert, blitzschnell gedreht und gewendet. "Aber wir gucken in keine Kabinen rein", wehren sich die Späher im Einkaufsdschungel gegen das Spannerimage ihres Berufsstands. Anders Manfred Ammer: Der schwere Mann mit der breiten Silberkette ist fast drei Jahre in Bau- und Kaufmärkten auf Pirsch gegangen und spricht von "Voyeurismus" als "Berufskrankheit". Von Polizist bis Nonne sei ihm alles untergekommen, auch einmal die Frau eines Stadtrats, erzählt er. Nach einer mehrwöchigen Schulung bei der Industrie- und Handelskammer in Recht und Unrecht kann jeder mit tadellosem Leumund zum Laden-Sheriff avancieren. "Weil es leider kein Kilometergeld gibt", habe er schließlich aufgegeben, berichtet der Ex-Ermittler. Dabei gäbe es viel zu tun: "Die klauen, dass es hämmert!", weiß er und rümpft den breiten Schnäuzer. Beim Gedanken an den Moment, wenn jemand ohne zu zahlen den Laden verlässt, ballt der Mann noch heute die Faust: "Da meinst du, in deinem Körper würde eine Rakete starten - so ein Adrenalinschub packt dich." Inzwischen klingelt ein futuristisch-blaues Walkie-Talkie bei Siegmar Werner auf "E", der Ausgangsebene. Kollege Stein hat eine Frau mittleren Alters ins Video-Visier genommen und läutet zum Angriff. Die blonde Durchschnittsdame ist mit einem Paar unbezahlter Wollsocken in ein anderes Stockwerk gefahren. Wieder und wieder wühlt sie sich durch Handtuchberge, fühlt, prüft, zahlt - ein Handtuch. Die Socken ruhen tief im Schoß ihrer Manteltasche, werden zwei mal gelüftet, um das Etikett abzureißen. Georg Stein fährt sich über den Kopf, alles ist auf Band. Stockwerke tiefer und viele Minuten später ist die Verfolgungsjagd vorbei. Die Frau - geschockt - windet sich: Bezahlen hätte sie noch wollen, sagt sie. Doch die Kamera lügt nicht. Die Männer stellen die Ware sicher, nehmen Personalien auf, schreiben Bericht und Strafanzeige. Dann kann sie gehen, mit Hausverbot statt Socken in der Tasche. "Wir sind keine Hollywoodhelden", sagt Georg Stein, "aber wir versuchen, die Kriminalität so weit es geht zu bekämpfen". Der Laden ist voll. Und weil Gelegenheit in der Menge Diebe macht, legt sich Kaufhausdetektiv Georg Stein wieder auf die Lauer.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort