Hip-Hopper schießt Humor aus der Hüfte

TRIER. (mew) Beim Wettbewerb um die angesagten Reime hat der Hannoveraner Tobi Kunze in Trier das Rennen gemacht. Der "Poetry-Slam" in der "Produktion" am Dom bot am Wochenende Lesekultur.

Richtfeste haben ihre Tücken - das beweisen die konstruierten Katastrophen, die Wehwalt Koslovsky in seiner 39-strophigen gleichnamigen Ballade zum Besten gibt. Quietschlebendig hüpft Tobias Kunze vor dem Mikro und bietet einen spontanen Freestlye-Rap, in den er fünf Begriffe integrieren muss, die ihm zugerufen wurden. Es ist gar nicht so einfach, Eichhörnchen, Eierbecher, Gummistiefel, Monster und Frustrationstoleranz in einen gerappten Guss zu bringen. Doch der Hannoveraner ist geübt. Seit 1998 hat er eine eigene Hip-Hop-Band ("Föderation"), und seine Leidenschaft für den Poetry-Slam hat er vor drei Jahren entdeckt. So fanden die zuvor immer in der Schreibtischschublade verstauten Texte einen Weg in die Öffentlichkeit. Sein erstes Mal als Slammer endete auch gleich mit einem Sieg. Es war eine hörbar knappe Klatsch-Entscheidung zwischen Wehwalt, dem wortgewaltigen Verseklöppler und dem Musiker Tobi, der den "Flow" (Rhythmus) seiner Texte mit viel Körpereinsatz auslebt. Seine Knie- und Ellenbogen-Gelenke sind ständig in Bewegung. Es scheint, als schieße er den Humor locker aus der Hüfte. Doch dahinter steckt Arbeit. "Ich wache oft mitten in der Nacht auf und muss dann schreiben", erzählt der Kommunikationsdesign-Student. Wo und vor allem wie er was an den Mann und die Frau bringt, ist wohl überlegt: "In Großstädten sind die Leute oft so übersättigt, dass ich mit Wortlawinen über sie herfalle, Schachtelsätze kommen da meist gut an. Studentenstädte sind dankbarer, denn hier sind Poetry-Slams akzeptierter", sagt der 26-Jährige. Jeder der sieben Slammer wird freundlich empfangen und mit Applaus belohnt. Humor ist häufig Timing, doch das merkt man als Zuschauer kaum. Zu sehr konzentriert man sich auf den bisher ungehörten Inhalt über ergonomische Eierbecher, ernüchternde amouröse Exkursionen ("Wie kann man(n) nur so danebenliegen?"), Essensarrangements notorischer Perfektionisten (abgezählte Erbsenkreise und auf den Quadratzentimeter berechnete Schnitzel), luxemburgische Variationen von Nudelsalaten (dank Lea Linster) sowie (Alb-) Träumen der Hochkultur. So heterogen wie der Inhalt ihrer Vorträge sind auch die Poeten. Zwischen Kölnern, Düsseldorfern und Berlinern ist Andreas Armann der einzige Lokalmatador des Abends, doch er schafft es nicht in die Finalrunde. Ob es an den (hoffentlich unfreiwillig) aus dem Hosenbund herausblitzenden Boxershorts lag, die farblich nicht auf das orange Hemd abgestimmt war Wohl kaum. "Slams sind immer wieder was Neues, mal gewinnt was Melancholisches, mal was völlig anderes", bilanziert Sieger Tobi Kunze, der Trier vom 8. bis 12. November auf den deutschen Meisterschaften in München vertreten wird.

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