Hoffnung oder Belastung: Behauptungen und Tatsachen über Flüchtlinge in Deutschland

Trier · Kaum ein Thema ist in Diskussionen so präsent wie die Flüchtlingskrise und bei kaum einem Thema gibt es so viele Gerüchte, Bedenken und Behauptungen. Wir stellen den Sorgen vieler Menschen die Fakten gegenüber.

Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Eine höhere Zahl wurde nie zuvor vom Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen verzeichnet. Die Hälfte davon sind Kinder. Neun von zehn Flüchtlingen leben in Entwicklungsländern. Dennoch gab es seit dem Zweiten Weltkrieg auch in Europa keine derartige Völkerwanderung. Nach Angaben der UN sind in den vergangenen 15 Jahren 30.000 Menschen auf dem Weg nach Europa gestorben. 43.700 Migranten sind seit Anfang dieses Jahres nach Rheinland-Pfalz gekommen.

Sorge: Viele kommen als Wirtschaftsflüchtlinge.
Besonders Anfang 2015 war der Anteil der Asylbewerber aus Albanien und Kosovo groß, obwohl die überwiegende Mehrheit keine Aussicht auf Anerkennung oder Duldung hatte. Albanien, Kosovo und Montenegro gelten inzwischen per Gesetz als sichere Herkunftsländer (wie bislang Ghana, Senegal, Bosnien-Herzgowina, Mazedonien und Serbien). Bereits seit dem Sommer ist der Anteil der Asylbewerber aus dem Kosovo und aus Albanien drastisch zurückgegangen. Im Oktober war der Anteil der fünf stärksten Herkunftsländer in Rheinland-Pfalz wie folgt: Syrien (53,5 Prozent) vor Albanien (8,6), Irak (7,7), Afghanistan (7,1) und Eritrea (2,3). Der Anteil der Syrer ist im November weiter gestiegen.

Sorge: Die vielen Menschen führen zu einer Überfremdung des Landes.
Rheinland-Pfalz wird sich verändern. Das steht außer Frage. Allerdings entspricht der Bevölkerungszuwachs für das Land, wie auch für ganz Deutschland, etwas mehr als einem Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Bund rechnet damit, dass weniger als die Hälfte der Menschen bleiben werden. Schweden oder Malta nehmen in Relation zu ihrer Bevölkerungszahl deutlich mehr Flüchtlinge auf.

Sorge: Dem Land droht ein religiöser Wandel.
In der Tat sind 69,3 Prozent der Asylbewerber Muslime, 17,6 Prozent sind Christen und 4,7 Prozent sind Jesiden. Allerdings leben viele der Muslime eine moderne und weltoffene Form ihres Glaubens. Bei der Integration der Menschen wird es nach Ansicht der Experten auch darauf ankommen, den konservativen Muslimen die Anerkennung der Werte des Grundgesetzes zu Bedingung für ein Bleiberecht zu machen. Das fordern beispielsweise die Islamexpertin und Frauenrechtlerin Necla Kelec und die jesidische Journalistin Düzen Tekkal.

Sorge: Die Verteilung ist ungerecht.
Nach einer Gesetzesänderung sollen Asylbewerber spätestens nach sechs Monaten auf die Kommunen verteilt werden. Derzeit geschieht das aber in der Regel bereits nach sechs bis acht Wochen - nach einer festgelegten Quote, dem "Königsteiner Schlüssel". Der legt den prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der Asylbewerber im Land fest. Faktoren sind dabei die Wirtschaftskraft und die Zahl der Einwohner: Trier (2,7 Prozent), Eifelkreis Bitburg-Prüm (2,4), Kreis Bernkastel-Wittlich (2,8), Kreis Trier-Saarburg (3,6), Kreis Vulkaneifel (1,5).

Sorge: Die nehmen Arbeitsplätze weg.
Industrie und Handwerk hoffen, dass der hohe Anteil junger Migranten helfen wird, das Fachkräfteproblem zu lösen. Asylbewerber dürfen in den ersten drei Monaten in Deutschland nicht arbeiten. Nach 15 Monaten ist das nur nach "Vorrangprüfung" möglich: Bewirbt sich ein Deutscher oder ein EU-Bürger für den Job, hat der Asylbewerber keine Chance. Ohne Einwanderung würde die Zahl der Menschen, die für den Jobmarkt in Betracht kommen, laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von derzeit 45 Millionen Menschen bis zum Jahr 2050 auf unter 29 Millionen sinken.

Sorge: Die Rente geht kaputt.
Eine zügige Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt kann nach Einschätzung des Präsidenten der Deutschen Rentenversicherung, Axel Reimann, zur Entlastung der Rentenkasse beitragen. "Alles, was für zusätzliche Beschäftigung sorgt, ist positiv für die Rentenversicherung, weil das die Einnahmen erhöht." Nach einer Faustformel würden 100.000 zusätzliche Beschäftigte pro Jahr etwa 500 Millionen Euro extra in die Rentenkasse bringen, rechnete Reimann vor. Grundsätzlich sei es so, dass mindestens fünf Jahre lang Beiträge gezahlt werden müssten, bevor Rentenansprüche entstünden. Kurzfristig entstehen der Rentenversicherung laut Reimann also keine Belastungen.

Sorge: Die Kriminalitätsrate steigt.
Die Quote für Straftaten ist nach Erkenntnissen der Polizei bei Flüchtlingen nicht höher als in der heimischen Bevölkerung. Allerdings hat der Trierer Polizeipräsident Lothar Schömann eingeräumt, dass im Umfeld der Erstaufnahmeeinrichtung in Trier-Euren die Zahl der Ladendiebstähle gestiegen ist. Für das immer wieder auftauchende Gerücht, Lebensmittel- und Discount-Märkte würden wegen Flüchtlingen schließen, gibt es aber keine Bestätigungen.

Sorge: Asylbewerber werden finanziell besser gestellt als Arbeitslose.
Asylbewerber erhalten in den ersten 15 Monaten vor allem Sachleistungen und ein Taschengeld. Alleinstehende erhalten maximal 143 Euro im Monat. Erwachsene, die als Partner einen Haushalt teilen, bekommen maximal je 129 Euro. Wer sonst noch im Haushalt lebt, bekommt 113 Euro. Für Kinder stehen den Familien je nach Alter zwischen 85 und 92 Euro zu. Nach Angaben des paritätischen Wohlfahrtsverbands liegen die Sach- und Geldleistungen bei einem Flüchtling zusammengerechnet etwa zehn Prozent unter den Hartz-IV-Regelsätzen. Ist ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm bei Bedürftigkeit Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. Das sind für einen alleinstehenden Erwachsenen etwa 392 Euro. (Quellen: Bistum Trier, Caritas, dpa, Bamf, Saarbrücker Zeitung)

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