Hübscher, jünger, lebhafter

TRIER. (gsb) Das war keine "normale" Stadtratssitzung. Anders als sonst debattierten ausnahmslos junge Frauen im Trierer Rathaussaal über ein brisantes Thema. Von Politikverdrossenheit war da nichts zu spüren.

Hübscher, jünger, lebhafter - das war mal ein ganz anderes Bild im Großen Rathaussaal. Aber die Stadtratssitzung an diesem Tag war nur Simulation. Drei Klassen des neunten Schuljahrs vom Angela-Merici-Gymnasium lieferten sich realitätsnah einen Schlagabtausch zu kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen. Was dabei heraus kam, könnte durchaus als Denkanstoß für andere Schulen dienen. Denn Kritiker einer vermeintlichen Spaß- und Null-Bock-Jugendkultur wären im Rathaus schnell eines Besseren belehrt worden.Applaus auch für politischen Gegner

Ausgerechnet die entscheidende Stadtratssitzung, in der es um den Baubeschluss der Großraumhalle ging, diente den 13- und 14-jährigen Schülerinnen als Vorlage. Am Vormittag hatten sie sich in der Schule das Thema erarbeitet, wenige Stunden später ging es im Rathaussaal zur Sache. Routiniert, als wäre es ihr Tagesgeschäft, werden Argumente ausgetauscht und Mikros geschaltet. Dass schon mal kontraproduktive Gegenmeinungen von Mitgliedern der eigenen Fraktion gebracht werden, ist im Eifer des Gefechts egal. Gleichermaßen souverän wie charmant führt Oberbürgermeisterin Nina Huhn durch die Sitzung. Und antwortet auf die Entschuldigung einer durch die Fotografen etwas durcheinander gekommenen Schülerin mit einem generösen: "Macht nix!" Großzügigkeit auch in der Meinungsvielfalt. Einmütig klopfen die Schülerinnen energisch zu den verschiedenen Stellungnahmen der Ratsmitglieder - parteiübergreifend, versteht sich. Was Arena-Geschäftsführer Wolfgang Esser, der für etwaige Nachfragen auch an der Sitzung teilnimmt, zu sichtbarem Schmunzeln bewegt. Gekonnt spannen die Nachwuchspolitikerinnen den Bogen in die Gegenwart. "Auch ohne Charly Brown wird die Halle genutzt", verlautbart es aus der CDU-Fraktion. Wenn die realen Politiker auch solche Zeitsprünge tätigen könnten, würde ihnen manche folgenreiche Entscheidung sicher leichter fallen. "Das Gemurmel bitte einstellen", zeigt sich die OB nun streng, um gleich darauf die Formulierung "Käffer" eines Ratsmitglieds zu rügen - die Stimmung ist prächtig, freudiges Kichern klingt durch den Raum. Doch nach etwa einer Stunde schwindet die Aufmerksamkeit ganz wie im wirklichen Leben. Und es kommt zur Abstimmung, die ähnlich wie der reale Beschluss endet. Die Fraktionen haben sich ein handfestes Pro und Contra zur Großraumhalle geliefert. "Imageförderung, finanzielle Vorteile, Förderung der Popularität, Interessen der Bürger", nennt Katharina Eifel von der CDU-Fraktion das Pro-Argumente-Gerüst, das sie in der Schule zum Thema erhielt. Wie die gesamte UBM-Fraktion hat sie sich in der Diskussion besonders stark engagiert und wird von ihren Mitschülerinnen, die sie als Pressevertreterinnen nach der Sitzung interviewen, beeindruckt als "cool" bezeichnet. Doch auch viele andere Schülerinnen denken mit und bringen sich aktiv ein. Als ein "großartiges Projekt, um Politik vor Ort zu erleben" bezeichnet der reale und sichtlich beeindruckte Oberbürgermeister Helmut Schröer das Schulprojekt. Er hat wie die Dezernenten Holkenbrink und Bernarding die Sitzung verfolgt und gibt abschließende Erklärungen zur Kommunalpolitik. Auch Lehrerin Kerstin Klassen hält das Projekt für gelungen, das aus dem Fach Sozialkunde kommunale Entscheidungsprozesse und deren Probleme behandelt.

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