"Ich bin doch nicht Piroschka"

Ungarn lieben Paprika, heißen Piroschka und kennen sich mit Zigeunermusik aus. Was von solchen Klischees zu halten ist, erzählt die seit 2001 in Trier lebende Ungarin Katalin Jarosi-Müller.

 Katalin Jarosi-Müller lernte im Deutsch-Kurs ihren späteren Ehemann kennen. TV-Foto: Mandy Radics

Katalin Jarosi-Müller lernte im Deutsch-Kurs ihren späteren Ehemann kennen. TV-Foto: Mandy Radics

Trier. "Ich komme aus Kaposvár", erzählt Katalin Jarosi-Müller, 35, mit sympathischem Akzent. "Ungarn ist ein differenziertes Land. Alles spielt sich in Budapest ab, in der Provinz gibt es wenig." Sie ist ein Energiebündel, erzählt und lacht gern. Könnten das Indizien für ihre ungarische Herkunft sein? Katalin würde das vehement bestreiten. "Ich kämpfe gegen ethnische Klischees." Zuordnungen aller Art findet sie eher kritisch. Vielleicht hängt das mit ihrer Arbeit zusammen. Migration, also der Zuzug von Ausländern, ist ihr Bereich. "Ich habe einige Projekte in Ungarn und eines in Luxemburg." So untersucht sie zum Beispiel deutsche Einwanderer in Ungarn, die die ungarische Provinz als Lebensraum für sich entdeckt haben. Nebenher lehrt sie Interessierte die un-garische Sprache. "Die gehört nicht zu den leichten Sprachen", sagt sie. "Die Sprachstruktur ist eine völlig andere als beim Deutschen." Ungarisch ist ans Finnische angelehnt, sonst gibt es keine verwandte Sprache. In Ungarn geboren und aufgewachsen, hat sie in Pècs studiert und ihren Abschluss im Bereich ungarische Kommunikationswissenschaften und Ungarisch gemacht. Im Jahr 1995 hat sie der reine Zufall nach Trier verschlagen. "Ich wollte einen Deutschkurs machen und hatte verschiedene Orte dafür angegeben", erklärt sie. Von Trier hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas gehört. Ein Platz war aber spontan nur dort frei, und so landete sie hier an der Mosel. Dass ihr Deutschlehrer einmal ihr Mann werden würde, ahnte sie da noch nicht. "Er hat gleich erkannt, dass ich ein Klugscheißer war, weil ich die Einzige war, die im Sprachkurs mit Bourdieu argumentiert hat. Das hat ihn fasziniert."Es funkte auf der Abschlussparty

Gefunkt hat es aber erst nach dem Kurs bei der Abschlussparty. Von da an haben sich Hans Georg Müller und Katalin Jarosi immer getroffen. Wie passend, dass die Ungarin ab 1998 in Berlin promovierte und das Pendeln nur noch zwischen deutschen Städten stattfinden musste. Offiziell lebt sie seit 2001 in Trier, hat ihren Hans Georg geheiratet und trägt nun den Namen Jarosi-Müller. Für die Ungarin ist Trier "eine kleine Schatzkiste". Die Stadt gefällt ihr sehr gut. "Aber als promovierte Migrantin ist es sehr schwierig für mich, weil Migranten sich in bestimmten Regionen nicht etablieren können." Einen festen Job in ihrem oder einem adäquaten Bereich hat sie noch nicht gefunden. Deshalb wünscht sich die Ungarin: "Migranten sollten eine Chance bekommen, denn Arbeit ist eines der wichtigsten Integrationsinstrumente." Besonders wichtig ist ihr, dass niemand in eine bestimmte Schublade gedrängt wird. "Ich bin doch nicht die Piroschka, die Gulasch kocht!" TV-Somemrserie Sie kommen aus Kamerun, den USA, Griechenland und anderen Teilen der Welt: Menschen, die sich die Stadt Trier als eine der Stationen ihres Lebens ausgesucht haben. Ein Team von TV-Mitarbeitern suchte das Gespräch mit ihnen und wollte wissen, warum sie in Trier gelandet sind, was sie an Land und Leuten besonders schätzen, und in welchen Punkten sie sich im Vergleich mit ihrer jeweiligen Heimat gewaltig umstellen mussten. Dabei kamen hochinteressante Sichtweisen und Momentaufnahmen der alten Römerstadt heraus, die wohl auch erfahrene Trierer in dieser Form noch nicht kennen.

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