"Ich genieße es, Einfluss zu haben”

TRIER. Besonders in den höchsten kommunalen Gremien sind Frauen unterrepräsentiert. Als einzige Frau im Stadtvorstand bewegt sich Wirtschaftsdezernentin Christiane Horsch daher in einer Männerwelt. Doch die allein erziehende Mutter lässt sich davon nicht beirren.

Ein schwarzer VW-Beetle mit dem Kennzeichen TR-WI 83 braust heran. Ihm entsteigt eine Frau im honigfarbenen Hosenanzug, die zielstrebig auf das Podium zusteuert. Flankiert von drei Männern links, zwei rechts, setzt sich die Wirtschaftsdezernentin der Stadt Trier und gibt eine Pressekonferenz. Im Anschluss wird Christiane Horsch zurück in ihr Büro hechten, am Nachmittag Gespräche mit der Struktur- und Genehmigungsbehörde führen und abends noch der Stadtrats-Sitzung harren. Die Frau, die das Amt der Wirtschaftsdezernentin als "Marketing-Job" versteht und stets alles in positivem Licht darzustellen weiß, wird in Trier in einen Unternehmerhaushalt hineingeboren. Der Familienbetrieb, ein Bauunternehmen, geht jedoch in bald in Konkurs. Nach dem Abitur studiert Christiane Horsch Jura in Marburg und Mainz und wird schwanger. Mit 28 Jahren ist sie Mutter einer Tochter. Zuerst hilft ihre Mutter bei der Betreuung, dann findet sie eine Tagesmutter. So kann sie das Studium abschließen. Ihre erste Stelle tritt sie 1991 beim Rechtsamt Trier an. Zuerst arbeitet sie halbtags als Rechtsanwältin für die Stadt Trier, dann - als ihre Tochter in den Hort geht - ganztags. Nach vier Jahren merkt sie, dass sie auf der Karriereleiter nicht weiter kommt und bewirbt sich als Kanzlerin der Trierer Fachhochschule. Sie bekommt die Stelle und ist dort zweieinhalb Jahre verantwortlich für den Haushalt der Hochschule. Eines Abends verfolgt sie am Fernsehen die Wahlniederlage von Helmut Kohl bei der Bundestagswahl. Der Politiker ist umringt von Männern und Menschen über 50 Jahre - stellt die junge Frau bestürzt fest. "Ich sah keine jungen Leute und keine Frauen", erinnert sich Christiane Horsch. Daraufhin beschließt sie, sich in der Trierer CDU zu engagieren, und lässt sich in den Stadtrat wählen. Ihre Kollegen befürworten ihre Bewerbung für das Wirtschaftsdezernat. Mit 37 Jahren wird sie Dezernentin und ist damit die erste Frau, die in den Stadtvorstand kommt. Sie hat einen "leichten Start", wird "nett und freundlich" aufgenommen. Man ist sogar "sehr charmant" zu ihr. Von nun an ist Christiane Horsch jeden Abend unterwegs. Gremiensitzungen, Firmenjubiläen - ihr Arbeitstag beginnt um 7.30 Uhr und endet nicht vor 20, manchmal 22 Uhr. Trotz einer 70- bis 80-Stunden-Woche ist sie hoch motiviert. "Zwar verdienen meine Studienkollegen das Doppelte oder Dreifache, aber ich genieße es, Einfluss zu nehmen und gestalten zu können", sagt Horsch. Dazu gehöre auch "vielen Leuten zu helfen. Wenn ich etwa erreiche, dass ein Betrieb nicht schließen muss." Ihre Tochter geht inzwischen aufs Gymnasium; kauft ein, kocht. Den Haushalt machen beide gemeinsam. Wenn Christiane Horsch frei hat, widmet sie sich ganz der Tochter. Einen Partner hat sie nicht - "denn um ihn und die Beziehung müsste ich mich ja auch noch kümmern". Doch eins stört sie: Sie ist eine öffentliche Person und wird immer beobachtet. "Ich bin eigentlich ein armer Hansel", folgert Horsch. Außer ihr wolle niemand diese Arbeit machen: "Ich bringe Opfer für meine Stadt".Daher verneint sie die Frage vehement, ob sie Geschmack an der Macht gefunden habe. "Habe ich nicht, denn man braucht ja ständig den Stadtrat.”

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