"Ich habe doch nur geholfen"

TRIER. Ein halbes Jahrhundert im Öffentlichen Dienst und im Dienste der Menschheit: Helmut Kress wurde von der Präsidentin des Amtsgerichts, Jutta Terner, geehrt.

Manches ist Helmut Kress nicht so wichtig. Zum Beispiel, ob sich sein Nachname mit ß oder mit ss schreibt. "In meinem Pass steht Kress, aber ich schreibe mich mit ß", sagt der 77-Jährige und winkt achselzuckend ab: "Aber das ist doch nicht so wichtig." Auch, als die Amtsgerichtspräsidentin Jutta Terner in den Unterlagen nicht das genaue Datum finden kann, an dem Kress als Schiedsmann vereidigt wurde, bleibt der alte Herr gelassen. "Ist doch nur ein Datum", sagt er und zuckt wieder mit den Schultern. Ein Amtsmensch ist Kress eben nicht. Auch nicht nach 50 Jahren im Öffentlichen Dienst.Kohlen schaufeln statt katastrieren

Angefangen hat er am 20. Juni 1955 als kaufmännischer Mitarbeiter beim Katasteramt. "Anfangs hatten wir keine Arbeit und sind statt dessen Kohlen schaufeln gegangen", erinnert sich der gebürtige Trier-Wester an die schwierige Zeit nach dem Krieg. Überhaupt scheint der Krieg, in den er als 16-Jähriger ziehen musste, nicht nur tiefe Eindrücke hinterlassen zu haben, sondern das ganze Leben des vierfachen Vaters geprägt zu haben. "Wenn man so ein Elend erlebt hat, kann man vieles gelassener angehen und so anderen Leuten helfen", sagt der Mann mit den wachen Augen und der gesunden Bräune, warum er mehr als 30 Jahre lang als Schiedsmann zerstrittenen Menschen geholfen hat, wieder Frieden zu schließen. "Die einen muss man erstmal brüllen lassen, andere zurechtweisen und wieder andere brauchen nur jemanden, der ihnen endlich mal zuhört." Fast alle Fälle habe er lösen können, so dass die Kontrahenten nicht vor Gericht ziehen mussten. "Die meisten habe ich privat gekannt, ich bin ja in Trier-West aufgewachsen", fügt er augenzwinkernd hinzu. Vor drei Jahren hatte er seinen letzten Fall. "Heute werden Schiedsmänner ja kaum noch gebraucht, die Leute gehen ja immer sofort vor Gericht", bedauert er. 40 Jahre lang hat sich der langjährige Ortsvorsteher von Trier-West/Pallien im Stadtrat engagiert. "Aber im vergangenen Jahr habe ich Platz gemacht für die jüngeren Leute, die jetzt ran müssen." Das Helfen hat er allerdings noch nicht aufgegeben, dafür ist er auch viel zu bekannt. ",Geh' zum Kress‘, raten die Leute ihren Nachbarn, wenn diese in Schwierigkeiten geraten sind", erzählt Kress. Und dann geht der ruhige, alte Mann mit zur Schuldnerberatung oder leistet bei Ämtergängen Hilfe. Für sein Engagement ist Helmut Kress vielfach geehrt worden: Bundesverdienstkreuz, Freiherr-vom-Stein-Plakette, die Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz, der Ehrenring der Stadt Trier. "Aber schreiben Sie das nicht", sagt er der Reporterin. "Lobhudelei" wolle er nicht, "ich hab doch nur geholfen", sagt er und winkt ab. Und dann verlässt Helmut Kress auch schon die kleine Feierstunde im Amtsgericht. "Im Gefängnis ist heute Abend ein Konzert", entschuldigt er sich. Und dass er als ehrenamtlicher Vorsitzender des Anstaltsbeirats zu diesem Anlass seine Schützlinge besuchen will, ist für ihn selbstverständlich.

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