"Ich schaffe mich warm"

TRIER. Bei Wind und Wetter hält Rosemarie Seiler an ihrem Blumenstand auf dem Hauptmarkt die Stellung. Genau wie zuvor ihre Mutter. Und davor ihre Großmutter. In der dritten Generation führt die Enkeltochter das Geschäft, das im April vor 60 Jahren seinen Anfang nahm.

 Schätzt den Kontakt mit Kunden: Rosemarie Seiler an ihrem Stand auf dem Hauptmarkt.Foto: Friedhelm Knopp

Schätzt den Kontakt mit Kunden: Rosemarie Seiler an ihrem Stand auf dem Hauptmarkt.Foto: Friedhelm Knopp

Braungebrannt begrüßt Rosemarie Seiler an diesem Frühlingsmorgen ihreKunden. "Im Urlaub war ich nicht. Die Farbe habe ich von hier,ich bin ja den ganzen Tag an der frischen Luft", erläutert sie.In Triers guter Stube, auf dem Hauptmarkt, gleich neben demPetrusbrunnen, befindet sich der Blumenstand. Genau an dieserStelle hat auch bereits ihre Großmutter vor 60 JahrenSchnittblumen verkauft. "Im April 1943 hat sie mit dem Geschäft begonnen und sich diesen Standort ausgesucht. Damals konnte auf dem Hauptmarkt noch jeder frei wählen, wo er verkaufen möchte." Der ursprüngliche Stand sah natürlich anders aus als heute - kleiner und aus Holz war er, die Eimer für die Blumen waren aus Blech statt aus Plastik.

Erinnerungen an diese Anfangszeit hat die 52-Jährige vor allem durch verwahrte Schwarz-Weiß-Fotos. Wald- und Gartenblumen wechselten damals den Besitzer, "je nach Saison hat meine Oma Schlüsselblumen, Maiglöckchen oder Margeriten verkauft", sagt Seiler. "Erworben hat meine Großmutter ihre Ware beim Gärtner, aber auch bei Privatleuten mit Gärten."

Rosemarie Seiler hat das Geschäft von ihren Eltern 1993 übernommen - nicht besonders begeistert, wie sie zugibt: "Ich hatte das nicht vor, habe allerdings meinem Vater am Sterbebett versprochen, dass ich den Stand weiterführen würde." Spezielle Kenntnisse über das Blumen-Geschäft hatte die Triererin nicht: "Ich bin gelernte Köchin, habe mich nach der Geburt meiner drei Kinder um Haushalt und Familie gekümmert." Allerdings habe sie durch ihre "familiäre Vorbelastung" von klein auf einiges mitbekommen, auch als Kind hin und wieder Sträuße gebunden. "Außerdem mache ich seit Jahren Lehrgänge", sagt sie.

Die Anfangszeit hat sie noch genau vor Augen: "Die ersten zwei, drei Jahre waren hart für mich." Nicht die Arbeit habe ihr Probleme bereitet: "Für mich war es schwer, auf die Leute zuzugehen, sie anzusprechen. Es ist gar nicht so einfach, heraus zu bekommen, ob man die Kunden ansprechen soll oder ob sie lieber in Ruhe schauen wollen." Inzwischen beherrscht sie die Kunst der Einschätzung, lebt überwiegend von Stammkunden. "Ich freue mich immer, wenn die Leute schon von weitem winken." Stets gut informiert ist Rosemarie Seiler, "die vielen Schwätzchen gehören eben dazu."

Gartensträuße wieder gefragt

An sechs Tagen die Woche, von 8 bis 18.30 Uhr, verkauft die Blumenhändlerin, was das Kunden-Herz begehrt. Orchideen, Calla, Strelitzien seien derzeit gefragt und - seit der Euro-Einführung - auch wieder ganz einfache Sträuße. "Die Leute wollen typische Gartensträuße, nicht mehr so ein Tamtam wie früher. Das hängt eindeutig mit dem Euro zusammen. Wenn das so weiter geht, werden Blumen noch Luxus."

Ganz und gar nicht luxuriös sind ihre Arbeitsbedingungen. Auf 30 Quadratmetern, unter vier gelb-weiß-gestreiften Schirmen, ist der Stand ausgebreitet. Gegen die größte Kälte schützt eine seitliche Plane, ansonsten gilt für Rosemarie Seiler: "Ich schaffe mich warm."

Dazu gehört, dass sie nach den drei Lieferungen pro Woche alle Blumen zunächst putzt, die Sträuße jeden Tag frisch bindet. "Langweilig ist mir nie. Wenn es mal gerade nichts zu tun gibt, steht garantiert jemand zum Schwätzen da." Sei es die "Lilienfrau", die "Rosenfrau" oder die "Tulpenfrau", wie sie ihre Kundinnen liebevoll eingeteilt hat.

Und ein weiterer treuer Gefährte rückt ohnehin nicht von ihrer Seite: "Unser Stadtpatron hier am Brunnen hält die Hand schützend über mich."

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