"Ich verteidige Menschen, nicht Taten"

Trier · Seit mehr als 19 Jahren setzt sich Otmar Schaffarczyk als Strafverteidiger für die Rechte von Mördern und Vergewaltigern ein. Beruflich und privat bringt das Probleme mit sich. Doch für ihn ist sein Beruf zugleich Berufung: Jeder Mensch verdiene ein faires Verfahren, sagt er, nur so sei ein Rechtsstaat möglich.

 Weil er vor Gericht neben den Angeklagten sitze, werde er oft selbst in eine kriminelle Schublade gesteckt, sagt Strafverteidiger Otmar Schaffarczyk. TV-Foto: Alexander Triesch

Weil er vor Gericht neben den Angeklagten sitze, werde er oft selbst in eine kriminelle Schublade gesteckt, sagt Strafverteidiger Otmar Schaffarczyk. TV-Foto: Alexander Triesch

Trier. Der Kampf um Gerechtigkeit und der Einsatz für andere Menschen hat Otmar Schaffarczyk schon immer fasziniert. Der 51-Jährige ist in Trier und bundesweit seit 1994 als Anwalt tätig. Dabei hat er sich auf das Strafrecht, insbesondere die Bearbeitung von Mord- und Totschlagfällen, spezialisiert. "Jeder Fall ist anders, und Mandanten zu verteidigen, die ein wahnsinnig großes Problem haben, ist hochinteressant", sagt Schaffarczyk.
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Schon während des Studiums ist für ihn klar, dass das Strafrecht seine Berufung ist. Diese Aufgabe findet allerdings nicht überall Zuspruch.
Die Verteidigung eines Mörders sei auch ein Kampf gegen Richter, Staatsanwalt, Öffentlichkeit und Medien, sagt der Anwalt. "Weil man neben dem Angeklagten sitzt, wird man oft in dieselbe kriminelle Schublade gesteckt." Die Folgen: Das Verhältnis zu einigen Kollegen ist angespannt, im Gericht gegrüßt wird selten, der Strafverteidiger ist der Störenfried. Sachbeschädigungen an der Kanzlei oder sogar Morddrohungen von verurteilten Mandaten hat der 51-Jährige ebenfalls schon erlebt. "Nicht jeder ist mit dem Ergebnis des Prozesses zufrieden, und oft wird die Schuld dann beim Verteidiger gesucht", sagt Schaffarczyk.
Als er in einem größeren Mordfall für den Angeklagten einen Freispruch erkämpft und so eine lebenslange Haftstrafe abgewendet hatte, erhielt der Verteidiger keinen Dank - im Gegenteil: Er wurde für die Monate verantwortlich gemacht, die der Angeklagte unschuldig in Untersuchungshaft gesessen hatte.
Auch im familiären Bereich gab es anfangs Probleme. "Das hat sich aber mit der Zeit erledigt. Hin und wieder werden Personen, die mir nahestehen, angesprochen: "Hey, ich habe gehört, er verteidigt dieses Schwein da." Dabei sei es im Rechtsstaat unabdingbar, dass jeder Angeklagte einen fairen Prozess erhalte und Fehlurteile vermieden würden, sagt Schaffarczyk.
"Ich würde selbst den Teufel verteidigen. Auch der hätte das Recht auf einen fairen Prozess. "Doch auch einen Strafverteidiger bewegen die Prozesse im Gerichtssaal. "Man nimmt diese Fälle mit nach Hause. Aber wenn man seine Emotionen in den Vordergrund stellt, kann man diesen Job nicht machen."
Ein schlechtes Gewissen hat Schaffarczyk bei seiner Arbeit nie. Jeder Angeklagte habe in Deutschland das Recht auf eine Verteidigung durch einen Anwalt. Als Strafverteidiger hat er große Verantwortung - geht es doch um Freiheit oder Gefängnis. Zunächst muss die Schuld erst einmal nachgewiesen werden. "Und dann geht es um die Frage, was eine angemessene Strafe ist. "Gerade wenn der Angeklagte in Untersuchungshaft sitzt, sei eine Betreuung wichtig, sagt Schaffarczyk. "D er Mandant hat dann außer über mich keinen Kontakt zur Außenwelt. Ich bin sein Freund, sein Vater und sein Priester." Dennoch: Eine gewisse Distanz zum Mandanten sei wichtig. "Ich will gar nicht von ihm wissen, ob er die Tat begangen hat. Das führt zu nichts. Ich verteidige Menschen, nicht ihre Taten."
Extra

So sieht Anwalt Schaffarczyk eine Welt ohne Strafverteidiger: "Du bist zur falschen Zeit am falschen Ort und wirst für ein Verbrechen angeklagt, dass du nicht begangen hast. Du stehst unter Verdacht, weil jemand etwas gesehen haben will, was nicht passiert ist. Ohne guten Strafverteidiger erhältst du keine Beratung über deine Rechte und Möglichkeiten, aus dieser Geschichte wieder raus zu kommen. Niemand ist daran interessiert, deine Unschuld zu beweisen. Im Gerichtssaal hagelt die Anklageschrift auf dich nieder und du weißt nicht, wie du dich wehren sollst. Ohne eine Chance, das Urteil anzufechten, wirst du inhaftiert - und was wäre die Welt ohne Strafverteidiger? Eine Welt, die nur noch aus Gefängnissen besteht." Protokolliert von Alexander Triesch

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