Idyll im Hinterhof

TRIER. Wenn Paul Niesen in der "guten Stube" des Haus Franziskus noch einmal den Katalog zur Ausstellung "Menschen um die Jahrhundertwende 1900" durchblättert, dann hallt seinen Erzählungen eine Spur von Nostalgie nach. Das ändert nichts daran, dass er sich wie viele andere Ältere oder Jüngere in diesem Haus energisch in der Gegenwart engagiert.

Paul Niesen ist Vorsitzender des Fördervereins Begegnungsforum Haus Franziskus. Der Verein mit seinen etwa 100 Mitgliedern ist erst Anfang vergangenen Jahres gegründet worden und hat sein Hauptziel bereits erreicht: den Erhalt des vom Verfall bedrohten Kutscherhauses im Hinterhof des Haus Franziskus. Ein erstaunliches Ergebnis, wenn man auf die Ausgangssituation zurückblickt. "Ursprünglich war der Orden entschlossen, das Gebäude abzureißen", erzählt Paul Niesen.Theateraufführungen und Dichterlesungen

Im Dezember vergangenen Jahres haben die Trägerinnen des Hauses, die Waldbreitbacher Franziskanerinnen, entschieden, das Kutscherhaus zu restaurieren.Das kleine, schmale, nun schon hundert Jahre alte Fachwerkhäuschen diente einst dem Kutscher des im Haupthaus wohnenden Arztes als äußerst bescheidene Bleibe und soll nach der Generalüberholung ein Turm-Atelier oder Handwerksstübchen, behinderten-gerechte Toiletten und ein Internetcafe beherbergen. Das derzeit noch im Verborgenen liegende Hinterhofidyll wird dann allen offenstehen, Theateraufführungen und Dichterlesungen dienen. Zwar klafft trotz der Beiträge der Trägerinnen und des Fördervereins noch eine Investitionslücke von 70 000 Euro. Sie soll allerdings durch Spenden und Drittmittel geschlossen werden, hofft Paul Niesen.Auch wenn die Restaurierung geschafft ist, wird der Verein noch lange nicht am Ende sein. Die grassierende finanzielle Misere des Kreises, der Stadt und der Kirche macht sich durch geringere Zuschüsse bemerkbar. Deswegen soll auch dauerhaft das gesellige Treiben unterstützt werden.Engagement ist immer gefragt im Haus Franziskus. Das ist Niesens Prinzip. 1986 wurde das Begegnungsforum von den Waldbreitbacher Franziskanerinnen gegründet und steht seitdem jedermann und vor allem jeglichen Ideen offen. "Marktplatz der Möglichkeiten" nennt Franz-Josef Euteneuer, Diplompädagoge und Leiter des Hauses, die Einrichtung.Lesungen, Ausflüge, Sprach- und Computerkurse, Qi Gong, sogar ein Lachseminar fanden oder finden statt. Fast alle Veranstaltungen gehen auf Initiativen der Besucher zurück. Nur um die Leitung der Kurse und Ausflüge kümmert sich das Haus. "Wir sind hier keine Seniorenverwahranstalt", bemerkt Euteneuer ganz trocken.Ohnehin kommen nicht nur ältere Menschen. Das Publikum könnte altersmäßig, sozial und ideologisch durchwachsener nicht sein. So kommt es, dass gelegentlich ein Semiatheist mit einem buddhistisch Angehauchten gemeinsam am Frühstückstisch sitzt oder auch mal beim Freitags-Streitgespräch mit ihm aneinandergerät.Vielfalt ist ein wesentliches Charakteristikum. Und die lässt sich sogar sehen. Derzeit ziert die Ausstellung "Zwei Orte, Zwölf Jahre, Zwei Orte" der Malerin Tatjana Grote, deren anderer Part in dem Restaurant "Zur Krim" ausgestellt ist, den unteren Teil des Treppenhauses. Ein Bild zeigt eine nur dünn bekleidete junge Frau. Eine Treppe höher, kurz vor der kleinen Kapelle im Dachgeschoss, beginnt die Rosenkranzausstellung. Für jeden etwas oder auch beides. Gefördert werden sollen die Kontraste. Auch in Zukunft.

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