Im Angesicht des Todes

TRIER. "Hoffnungen und Chancen am Lebensende" standen im Mittelpunkt des 36. Trierer Arzt-Patienten-Seminars. Die Veranstaltung war dem zehnten Geburtstag der Palliativstation des Mutterhauses gewidmet.

"Wer den Tod ablehnt, lehnt das Leben ab", wusste schon Seneca, denn "das Leben ist uns nur mit der Auflage des Todes geschenkt". Ohne Auflagen und völlig freiwillig besuchten rund 400 Menschen das 36. Trierer Arzt-Patienten-Seminar und setzten sich dort mit der letzten Lebensphase auseinander. Anders als sonst stand keine Krankheit im Mittelpunkt der Veranstaltung, sondern der zehnte Geburtstag der Palliativstation des Mutterhauses der Borromäerinnen.Höchstmaß an Selbstbestimmtheit

"Ohne sie würde es diese Station wahrscheinlich heute noch nicht geben", lobte Dr. Carl Heinz Müller, Präsident der Kassenärztlichen Vereinigung Trier, gleich zu Beginn das Engagement des Begründers und langjährigen Chefarztes der Palliativstation, Dr. Franz-Josef Tentrup. In der Tat war Tentrup es, der Anfang der 90er-Jahre maßgeblich für die Einrichtung einer solchen Station in Trier geworben hatte. Sein Nachfolger, Dr. Lorenz Fischer, nutzte das Arzt-Patienten-Seminar, um mit Klischees aufzuräumen. Weder sei die Palliativstation eine "Endstation", noch "sind wir alle melancholische Menschen", so Fischer über das Team seiner Station. Der Chefarzt hob den Anspruch der Palliativmedizin hervor, dem Menschen in seiner letzten Lebensphase ein Höchstmaß an Selbstbestimmtheit und Würde zu erhalten. Auf diese Selbstbestimmung am Lebensende können die künftigen Patienten schon heute Einfluss nehmen. Oberärztin Dr. Renate Langenbach informierte über die Patientenverfügung, die Vorsorge für den Fall trifft, dass man später einmal nicht mehr selbst entscheiden kann. Getreu dem Veranstaltungsmotto konzentrierten sich die meisten Referenten auf die Hoffnungen und Chancen am Lebensende. Monika Lutz vom Hospizverein sprach von der "kostbaren verbleibenden Zeit", die es bewusst zu erleben gelte. Franz-Josef Euteneuer brachte es auch bildlich auf den Punkt: Es komme nicht so sehr darauf an, ob das Glas halb leer oder halb voll ist, sondern ob man es verschütte, wieder auffülle oder "mit Lust trinke", gab der Leiter des Seniorenbegegnungsforums Haus Franziskus zu bedenken. Die Oberärztin der Palliativstation, Dr. Renate Langenbach, warb dafür, eine Patientenverfügung abzuschließen. Tentrup berichtete, dass das "Leben im Angesicht des Todes etwas Besonderes aufweist, auch positives". Die Einzigartigkeit dieser Situation biete - neben allem Leid - auch Chancen. So habe er bei Sterbenden immer wieder beobachtet, dass diese das "Wichtige von dem Nebensächlichen" getrennt hätten. Sterben heiße auch Bilanz ziehen, so Tentrup, der den französischen Philosophen Michel de Montaigne zitierte: "Die Besinnung auf den Tod ist die Besinnung auf die Freiheit." Diese Freiheit sollen die Menschen auch auf der Palliativstation spüren. Rund 200 Patienten jährlich werden dort ganzheitlich umsorgt, etwa zehn bis 14 Tage verweilen sie dort.Hospizhaus ab 2005

Doch obschon sie unheilbar krank sind, kehren viele der Patienten auch wieder in ihr Zuhause zurück, wo sie in ihrer gewohnten Umgebung sterben. Nach der Einrichtung der Palliativstation 1994 und der Gründung des Hospizvereins zwei Jahre später, steht für 2005 die Komplettierung des Angebots für sterbende Menschen in Trier bevor: Dann soll das Hospizhaus in der Ostallee seine Arbeit aufnehmen. Chefarzt Fischer nennt die Einrichtung schon jetzt "das Sahnehäubchen" der gesamten Versorgung. Dass die Auseinandersetzung mit Tod und Sterben in den vergangenen Jahren in Trier wieder etwas enttabuisiert werden konnte, war im Publikum zu spüren. Immerhin hatten sich an diesem Vormittag Hunderte Menschen mehr als vier Stunden einem Thema ausgesetzt, dem viele noch vor Monaten ausgewichen wären. Beeindruckt von der Atmosphäre zeigte sich hernach denn auch der Moderator der Veranstaltung, Professor Bernd Krönig: "So etwas habe ich noch nicht erlebt".

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