Im Berliner Untergrund

TRIER. "Nächste Station: Hallesches Tor". In die U-Bahn-Linie Eins steigen täglich eine Menge Berliner Typen ein und aus. Unter ihnen sitzt eines Tages das Mädchen Lisa aus Trier, die in der Hauptstadt ihre große Liebe sucht. Der Jugendclub des Trierer Theaters lädt für Samstagabend in den Großen Saal der Tufa zu der Premiere des Musicals "Linie Eins" ein.

Lisawill raus aus der Provinz. Da kommt es ihr gelegen, dass PopstarJohnnie in Trier ein Gastkonzert gibt und Lisa näher kennenlernt. Sie gewinnt sogar eine Liebesnacht mit ihm. Die flüchtigeAffäre bringt für das junge Mädchen die Entscheidung: Sieschmeißt die Schule und reist mit ihrem letzten Taschengeld nachBerlin, um Johnnie wieder zu sehen und glücklich zu werden. Tagelang geht sie in der U-Bahn-Linie Eins auf Spurensuche. Dabei trifft sie typische Berliner Figuren, Verliebte und Verbrecher, Bekiffte und Versiffte, Verrückte und Verrockte.

Ein wenig rockiger als die Vorlage

Die 18-jährige Katharina Scherer aus Longuich übernimmt die Rolle der Lisa im neuen Stück des Theater-Jugendclubs. Auf der Bühne des großen Tufa-Saals, wo "Linie Eins" morgen Abend um 20 Uhr Premiere feiert, sitzt sie betrübt auf einer Parkband.

Kurz nach ihrer Ankunft an der Spree ist Lisa hin- und hergeschubst, von Obdachlosen belästigt und von Punkern angebettelt worden. So hat sie sich Berlin nicht vorgestellt. Dann springt sie auf - und singt sich den Frust von der Seele. Die Live-Band am Bühnenrand (Leitung: Stefan Köhnen) liefert die passenden Töne, rockig, laut und manchmal schnulzig.

Diese Jugendproduktion des Theaters Trier ist ein Musical, dessen Melodien und Texte in den 80er Jahren großen Erfolg hatten und immer noch beliebt sind. Birger Heyermann und Volker Ludwig, der Leiter des legendären Berliner Grips-Theaters, haben das Stück geschrieben.

Während das Original im Berlin von 1986 spielt, hat Regisseur Alexander Etzel-Ragusa den Schauplatz der Geschichte in die Gegenwart verlegt. "Deshalb klingt unsere Version ein wenig rockiger als die Vorlage", erklärt Etzel-Ragusa. Seit fünf Jahren betreut er den Jugendclub des Trierer Theaters, der dem Schauspielnachwuchs die Möglichkeit bietet, in ungezwungener Atmosphäre Theaterluft zu schnuppern.

Nach der Ausschreibung im vergangenen Herbst meldeten sich 100 Interessenten. "50 konnten mitmachen", sagt Etzel-Ragusa. Schüler, Auszubildende und Studierende im Alter zwischen 15 und 25 Jahren wirken diesmal mit und zeigen rappende Dealer, steppende Opas und zickige Witwen.

"Das sind Typen, die einen anderen Lebensstil haben als viele Jugendliche in Trier", meint Simon Görgen aus Butzweiler. Der 18-jährige Schüler, der zur Zeit das Friedrich-Spee-Gymnasium in Trier-Ehrang besucht, ist für "den Jungen" vorgesehen. Dahinter verbirgt sich ein Gothic-Fan mit langen Haaren, weiß geschminktem Gesicht und schwarzem Mantel um die Schultern (Kostüme: Carola Vollrath).

"Privat bin ich ganz anders", sagt Simon. Als Lisa in der U-Bahn bedroht wird, vertreibt "der Junge" den Täter.

Für Katharina Scherer ist es die erste Hauptrolle beim Jugendclub. Bei drei anderen solcher Aufführungen hat sie bereits mitgemacht. "Ich glaube, dass im Moment das Thema Musical besonders attraktiv ist", vermutet die Schülerin der Höheren Berufsfachschule für Medien. Außerdem dürfte der Inhalt bei Jugendlichen im Trend sein: "Alle wollen weg und andere Dinge als in Trier erleben", hat Katharina zum Beispiel in ihrem eigenen Freundeskreis beobachtet.

Simon will später auf jeden Fall nach Köln oder München ziehen.

"Man merkt, dass sich in den Metropolen etwas bewegt", sagt Alexander Etzel-Ragusa. "Dennoch haben kleinere Städte wie Trier eine Lebensqualität, die Berlin nicht bieten kann."

Lisa muss sich am Ende zwischen diesen Alternativen entscheiden. Bleibt sie in der Großstadt oder geht sie zurück in die Provinz?

Premiere der "Linie Eins" am Samstag, 26. April, im Großen Saal der Tuchfabrik.

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