Im Zorn weg, als gemachter Mann zurück nach Trier: Zum Tod von Bernd Gritzmacher

Trier/Wadgassen · Drei Wochen vor seinem 70. Geburtstag ist Bernd Gritzmacher gestorben. In seiner alten Heimatstadt Trier hat er viele Spuren hinterlassen: Als "Mister Riverside" und "Aufstiegs-Präsident" des SV Eintracht Trier.

Die erste Silbe hätte man getrost streichen können, dann wäre der Familienname weitaus treffender gewesen. Bernd Gritzmacher war ein Macher. Mit zwei Mottos: "Ich will etwas bewegen" und "Ich will mich beweisen". Das Sich-beweisen-Wollen zog sich wie ein roter Faden durch das Leben des 1946 in Paris geborenen Sohns einer Kaufmannsfamilie, die 1950 nach Trier zog und in St. Matthias und Heiligkreuz wohnte.

Wäre es nach dem Vater gegangen, hätte Filius Bernd, wie er zeitlebens auf dem Trierer Wochenmarkt genannt wurde, weiter Obst und Gemüse verkauft. Doch der musikbegeisterte Spross schaltete als Teenager auf stur und begann, die Menschen zu bewegen - als Disc-Jockey in den damaligen lokalen Kult-Etablissements mit Namen wie Dudelsack, Lord's Inn und Black Bottom.

Nach wiederholtem Familienkrach kehrte er Trier den Rücken und zog als umworbener Plattenaufleger durch die deutschen Lande und hatte auch mal ein Engagement im Hamburger Star-Club, in dem die Beatles ihre frühen Erfolge feierten. 1979 machte er sich mit dem Gloria-Keller im saarländischen Schmelz als Tanzdielenbetreiber selbstständig. Via Homburg und Saarlouis kehrte er - auch wichtig fürs eigene Ego - erst "als gemachter Mann" (sprich: als Millionär) zurück in seine Heimatstadt und eröffnete 1995 am Verteiler Nord die auf eigene Kappe gebaute Großraumdisco Riverside. Kostenpunkt: 5,4 Millionen Euro.

Von Gritzmachers permanenter Rastlosigkeit und dem Streben nach Erfolg ("Das ist meine Droge") profitierte Trier in beachtlichem Ausmaß. Gritzmacher beschäftigte in guten Riverside-Zeiten 70 Leute (davon 50 Vollzeit-Kräfte), machte gut fünf Millionen Euro Jahresumsatz und zahlte 50 000 Euro Gewerbesteuer an die Stadt.Justin Timberlake im Riverside

Er organisierte Benefiz-Aktionen, bescherte Trier mit "Pop meets Classic" eines der raren gesellschaftlichen Highlights, schickte Freunde wie Howard Carpendale auf die Bühne und bot Stars wie die Back Street Boys auf, deren Autogrammstunde im Februar 1997 im Riverside 4000 Fans anzog. Verkehrschaos inklusive. Im selben Jahr war auch ein gewisser Justin Timberlake schon im Riverside - mit seiner damaligen Band N'Sync.

Der Knick in der Erfolgsgeschichte kam 2000. Gritzmacher hatte gerade für 8,5 Millionen Euro ("ohne irgendwelche Zuschüsse") das Riverside Kaiserslautern (später A6) erbaut und 800 000 Euro in Umbau und Modernisierung seines Trierer Tanztempels gesteckt, als die Besucherzahl rapide zu sinken begann. Folge: Ein Insolvenzverfahren 2003/04, das mit einem - nicht gerade branchenüblich - einstimmig von der Gläubigerversammlung akzeptierten Sanierungskonzept endete. "Die Gläubiger haben alles getan, damit der Betrieb weitergehen kann. Alle Lieferanten sind bei der Stange geblieben, Ich glaube, mein alter Herr wäre jetzt ganz zufrieden mit mir", sagte Gritzmacher damals stolz.

Dennoch war das Aus für den Großraum-Schwof programmiert. 2006 machte Gritzmacher den Laden, der in knapp elf Jahren mehr als 2,5 Millionen Besucher angezogen hatte, dicht und ersparte den schon vom puren Gedankenspiel entsetzten Teilen der Öffentlichkeit den sittlichen Super-Gau. Statt Sauna-Club wurde das Riverside Trier Spielhalle (im vorderen Teil) und China-Restaurant.

Gritzmacher blieb Besitzer und kam noch oft aus seiner saarländischen Wahlheimat Wadgassen zurück nach Trier und freute sich darüber, "dass die Leute mich immer noch freundlich grüßen, wenn ich in meiner schönen alten Heimatstadt Trier unterwegs bin", sagte er vor zwei Jahren dem TV. Die Stippvisiten wurden seltener, weil Bernd Gritzmacher damals schon schwerkrank war. Jetzt ist er, kurz vor seinem 70. Geburtstag am 9. Januar, gestorben. Er hinterlässt Frau Alice, Sohn Jan-Raphael, zwei Töchter aus erster Ehe - und viele gute Erinnerungen daran, was er als Macher in Trier bewegt hat.Extra

 Gute Eintracht-Zeiten: Neujahrsempfang 2004 des Vereins im Riverside mit (von links): Kapitän Adnan Kevric, Oberbürgermeister Helmut Schröer, Trainer Paul Linz und Präsident Bernd Gritzmacher. TV-Foto: Archiv/Hans Krämer

Gute Eintracht-Zeiten: Neujahrsempfang 2004 des Vereins im Riverside mit (von links): Kapitän Adnan Kevric, Oberbürgermeister Helmut Schröer, Trainer Paul Linz und Präsident Bernd Gritzmacher. TV-Foto: Archiv/Hans Krämer

Fußballfans sind selten zugleich glühende Anhänger ihres jeweiligen Clubpräsidenten. Da gibt es oft mehr Reibung als Liebe. Bei Bernd Gritzmacher war es anders. Dass ausgerechnet ein Wahl-Saarländer bei Eintracht-Trier-Fans extrem beliebt war, lag an mehreren Faktoren. Es war nicht nur seine Großzügigkeit. Schon bevor Gritzmacher 2001 erst kommissarischer, dann ab 2002 gewählter Präsident wurde, spendierte er den Fans schon mal die Busfahrt zu Auswärtsfahrten. Weil er die Unterstützung für das Team wollte - nicht aus Kalkül. Gritzmacher war für die Fans ein Präsident auf Augenhöhe. Einer, der zuhörte, der mitdiskutierte, und der sich nicht in der Vip-Loge versteckte, wenn es mal nicht lief. Viele Eintracht-Anhänger erinnern sich aber auch gerne an Gritzmacher, weil er für gute, gar nicht so alte Zeiten steht. Nach dem hauchdünn verpassten Aufstieg 2001 schafften Trainer Paul Linz und seine Jungs dank einer sensationellen Rückrunde am 11. Mai 2002 mit einem Sieg in Hoffenheim den Sprung in die zweite Liga. Auch dort beeindruckte die Eintracht. In der ersten Saison waren die Trierer lange Zeit nah an den Aufstiegsplätzen. Und als es mit zwei Abstiegen in Folge (2005 und 2006) deutlich trister im Trierer Fußball wurde, war Gritzmacher schon nicht mehr an Bord. Er trat 2004 nicht mehr als Präsident an. AF

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort