Immer mit offenem Visier

Noch nie stand ein Stadtvorstandsmitglied im Trierer Rathaus schon vor Beginn seiner Amtszeit dermaßen im Kreuzfeuer wie die neue Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani. Im Alltagsgeschäft will sie sich von dem schwierigen Start freischwimmen.

 15-Stunden-Arbeitstag als Normalzustand: Das Einarbeiten im Stadtvorstand ist mit Stress verbunden. TV-Foto: Friedemann Vetter

15-Stunden-Arbeitstag als Normalzustand: Das Einarbeiten im Stadtvorstand ist mit Stress verbunden. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. So ganz angekommen ist sie nach acht Wochen noch nicht. Jedenfalls, was das Büro betrifft. Ein riesiger Stadtplan liegt als Orientierungshilfe auf dem Tisch, die Bilder-Leihgaben aus dem Stadtmuseum harren der Nägel. Simone Kaes-Torchiani ist noch auf der Suche. Zum Beispiel nach einer geeigneten Laufstrecke fürs tägliche Jogging. Oder nach einer Strategie, wie man abends nach einem 15-Stunden-Arbeitstag aus einem leeren Kühlschrank noch etwas Essbares zaubern kann. Trotzdem: Der neue Job "ist spannend, aufregend und macht Spaß". Und die 51-Jährige hat auch schon ein paar Dinge gefunden. Ein Haus in Heiligkreuz beispielsweise, wo bald auch der 17-jährige Sohn einziehen soll, der im Moment noch in der Nähe von Aachen wohnt. Oder das Treverer-Männchen, das ihr ein Bürger geschenkt hat. "Einfach so", sagt die Dezernentin und strahlt. Ein bisschen Zuneigung tut gut nach dem Krach um ihre Wahl.Dass ihr diese Erfahrung noch in den Knochen steckt, räumt sie unumwunden ein. "Dat tut man nich so einfach weg", sagt sie in einer Sprechmelodie, die an Ulla Schmidt erinnert. Ihre Offenheit und die von Polit-Kauderwelsch freie Sprache verblüffen. "Die hat immer ein hochgeklapptes Visier", charakterisiert sie ein Mitarbeiter aus dem Rathaus. Ein bisschen Gesichtsschutz hätte freilich nichts schaden können angesichts der tief fliegenden Vorwürfe im Vorfeld ihrer Wahl. "Das hat mich völlig kalt erwischt", sagt sie und unterstreicht ihre Aussage einmal mehr mit den Händen. Vor allem, "weil nie jemand konkret gesagt hat, was ich denn falsch gemacht haben soll". Die eine Seite hielt ihr vor, sie sei als CDU-Kandidatin ökologischen Denkansätzen nicht aufgeschlossen, die andere Seite nahm sie unter Beschuss, weil sie einst in Wittlich zu umwelt- und zu wenig unternehmensfreundlich gewesen sei: "Dat passt doch alles nich." Manchmal denkt sie aber schon darüber nach, warum ihr früherer Job in der Eifel ihr offenbar einige Feinde beschert hat. "Vielleicht, weil ich ziemlich direkt sage, was ich meine", vermutet Kaes-Torchiani - wohl nicht ganz zu Unrecht.Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie lange ohne das schützende Netz einer Parteimitgliedschaft gearbeitet hat. Erst auf ihrer letzten Station ist sie in die CDU eingetreten; "weil ich irgendwann gemerkt habe, dass man eine Verankerung braucht". Aber wenn man sie reden hört, hat man das Gefühl, es hätte genauso gut die SPD gewesen sein können. An ideologische Gegegensätze glaubt sie in der Kommunalpolitik ohnehin nicht. "Stadtplanung hat eigentlich nichts mit Parteien zu tun", meint sie, und dass man - guten Willen vorausgesetzt - nahezu alle Probleme im Konsens lösen könne. Das kann höchst produktiv sein, aber auch gefährlich naiv in einer Stadt, in der ausgerechnet ihre Arbeitsfelder Verkehr und Planung seit Jahren die Fläche für die heftigsten Grundsatzkonflikte liefern."Stadt am Fluss", Regionalbahn, Fahrradwege: Da klingt vieles bei ihr gar nicht so anders wie beim neuen OB Klaus Jensen, mit dem sie derzeit durch die Ortsbeiräte tourt. Aber noch scheut sie sich, klar Position zu beziehen. "Der Kuchen kommt erst in die Röhre, wenn der Teig aufgegangen ist", sagt sie, und man merkt, dass sie solch griffige Metaphern mag. So wie das Inline-Skaten. Demnächst will sie die Flitzer wieder anschnallen. Mal sehen, ob sie nicht noch den einen oder anderen überholt.

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