In Menschen investieren

TRIER/ÜDERSDORF. Die Briefmarken-Leidenschaft hat in der Pfarrei Üdersdorf (Kreis Daun) ganz besondere Anhänger: Die Üdersdorfer bewahren die Briefumschläge vor dem Altpapier und verkaufen die Briefmarken. Mit dem Geld helfen sie Menschen in Burkina Faso in Afrika.

"Wenn man 'mal dran ist am Ausschneiden, dann meint man, man könnte gar nicht mehr aufhören", erzählt Johanna Becker. Die 79-Jährige aus Bleckhausen (Kreis Daun) sitzt oft zwei Stunden mit ihrem Mann Hubert Becker in der "Stube" und schneidet Briefmarken aus den Umschlägen, die ihr Pastor Horst Comes in einem Postsack an die Haustür bringt. Was wie als sinnlose Beschäftigung erscheint, erweist sich als gute Tat.Eine Idee mit Folgen

Was anderswo auf dem Müll landet, wird in der Pfarrei Üdersdorf in bares Geld umgewandelt und für die Mission in Afrika gespendet.Entstanden ist die Idee 1985. Damals war die Dürrehilfe für die Sahelzone in aller Munde. Ein Sammler hatte die Überlegung, hierfür mit Briefmarken Geld zu erwirtschaften. Die Antwortschreiben auf Preisausschreiben des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) wurden als Quelle für bergeweise Briefumschläge entdeckt.Die Postsäcke werden dank der Vermittlung eines Gemeindemitglieds von den Lastkraftwagen eines Dauner Sprudelfabrikanten, die ohne Ladung zurück ins Werk fahren, kostenlos bis vor die Haustür von Pater Comes gebracht.Dann beginnt die Arbeit der 45 fleißigen Helferinnen und Helfer. "Es ist schon spannend, wenn man dann auf den Umschlägen auch ungestempelte Marken oder Wohlfahrtsmarken findet, denn die sind ja besonders wertvoll", erzählt Johanna Becker, die mit den weiteren Gemeindemitgliedern eifrig bei der Sache ist.Manche ältere Menschen, die nicht mehr das Haus verlassen können, schneiden wie besessen - oft stundenlang - und denken sogar im Krankenbett noch an die vor ihnen liegende Arbeit. Die sortierten und vom Papier gelösten Briefmarken verkauft Pastor Horst Comes an einen großen Händler in Hamburg.In diesem Jahr haben die Helferinnen und Helfer von 2000 Tonnen Briefumschläge - das entspricht zehn LKW-Ladungen - fünf Tonnen Briefmarken ausgeschnitten. Der Händler zahlte dafür 25 000 Euro. Dieses Geld spendete die Pfarrei an die Weißen Väter.Der Pastor, der bei den Weißen Vätern zum Priester ausgebildet wurde, und seine Helferinnen und Helfer überreichten jetzt in den Räumen der Weißen Väter in der Trierer Dietrichstraße Superior Otto Walter den Scheck. Inzwischen wird das Geld nicht mehr - wie in den ersten Jahren - zum Bau von Brunnen verwendet, sondern "in Menschen investiert", erklärt der Pastor. In diesem Jahr wird das Geld von den Weißen Vätern sieben missionarischen Vorhaben in Burkina Faso und einem Projekt in Uganda zugute kommen.Hilfe für Säuglinge, Mädchen und Viehhirten

Für die Priesterausbildung und Katechistenschulen, für Säuglinge von an Aids gestorbenen Eltern, für Mädchen, die von den Eltern zwangsverheiratet werden sollen und von zu Hause weglaufen sind, für Hauswirtschaftsunterricht in Burkina Faso sowie Hilfe für die Kühe von Viehhirten in Uganda wird das Geld von den in der Eifel ausgeschnittenen Briefmarken verwendet.Für Superior Otto Walter ist die Aktion wichtig, weil sich so die Menschen in der Eifel privat für die Mission in Afrika interessieren. Seit 1985 ist die stolze Summe von 235 000 Euro zusammengekommen. "Im nächsten Jahr will ich die 250 000 Euro voll machen", sagt der Pastor. "Die Menschen in meiner Pfarrei schneiden auch so gerne Briefmarken aus, damit sie keine Zeit mehr haben, an ihre Krankheiten zu denken", fügt er scherzhaft hinzu.

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