"In den 60er Jahren steckengeblieben"

Trier · Ein Trierer würde sich gerne ein Elektroauto anschaffen. Doch sein Stellplatz im einst hochmodernen Stadtteil Mariahof hat keinen Stromanschluss. Leise Hoffnung macht ein Gesetzesvorschlag.

Trier Meist sind es eher die jüngeren Semester, die sich für die jeweils neueste Technik begeistern können. Der Mariahofer Knut Hauschildt möchte mit seinen 75 Jahren diese Regel nicht bestätigen. Das überrascht weniger, wenn man weiß, dass Hauschildt früher als Techniker für ein kanadisches Bildungsfernsehen gearbeitet hat.
Seit gut zwei Jahren lebt er mit seiner Frau in Mariahof - in einem Reihenhaus, das er umgehend auf den neusten Stand der Technik gebracht hat. Touren in die Umgebung macht das Ehepaar gerne mit Elektrofahrrädern. Mit der Anschaffung eines Elektroautos wird geliebäugelt - wobei es da ein kleines Problem gibt: "Ich könnte das gar nicht aufladen, weil es in meiner Garage keinen Strom gibt", erklärt der 75-Jährige.
Der Stadtteil Mariahof wurde in den 60er Jahren praktisch komplett vom Reißbrett in die grüne Wiese gebaut, wobei viele neuartige Ideen umgesetzt wurden. Um die Wohngebiete vom zunehmend gefürchteten Straßenverkehr zu verschonen, wurden etwa Autostellplätze und Garagen an mehreren Stellen gebündelt zusammengefasst. Allerdings gibt es dort meist keinen Strom.
Hauschildt findet das Fehlen der Anschlüsse nicht mehr zeitgemäß - nicht nur wegen der Anforderungen der Elektromobilität: "Ich hätte in meinem Alter vielleicht auch gerne einen elektrischen Garagenöffner", sagt der 75-Jährige. "Aber daran ist ebenso wenig zu denken wie an ein bisschen mehr Licht!"
Tatsächlich leuchtet nur eine Lampe direkt in den Hof mit seinen 26 Garagen - von denen Hauschildts am weitesten von dem bisschen Licht entfernt liegt.
"Ich dachte zuerst, das wäre nur ein kleines Problem", sagt der Mariahofer.
Die Stadtwerke haben auch zugesagt, für Strom zu sorgen - wozu aber die Einwilligung vieler Parteien notwendig ist.
In der Annahme, die GBT sei der richtige Ansprechpartner, schilderte Hauschildt zuerst dort sein Anliegen. Allerdings: Obwohl die gemeinnützige Baugesellschaft federführend war bei der Errichtung Mariahofs, besitzt sie inzwischen nur noch wenige Grundstücke selbst - und am betreffenden Platz auch nur vier Garagen. Somit ist die GBT selbst nur ein Teil der "Bruchteilgemeinschaft", die sie zusammen mit den einzelnen Eigentümern der 22 anderen Garagen bildet.
Auch von dieser Information ließ Hauschildt sich nicht entmutigen. Er hat kurzerhand sämtliche Garagen-Nachbarn kontaktiert und sie nach ihrer Auffassung gefragt. Einige hätten zwar durchaus ebenfalls Interesse an einer Stromzuleitung - allerdings bei Weitem nicht alle, was Voraussetzung zum weiteren Handeln wäre.
Zwar könnte man sich alternativ auch mit einer Solaranlage behelfen, meint Hauschildt. Einen Toröffner oder gar das Ladegerät für ein Elektroauto könne man damit aber nicht betreiben.
Der Mariahofer ist frustriert, dass er nicht weiterkommt, egal, wohin er sich wendet. "Man fühlt sich hier nicht wie im 21. Jahrhundert", sagt er. "Wir sind hier eher in den 60er Jahren steckengeblieben!"
Tatsächlich haben aber nicht nur in Mariahof Miteigentümer Bedarf an einem leistungsfähigen Stromanschluss am Stellplatz oder in der Garage. Mittlerweile ist auch die Politik auf das Problem aufmerksam geworden. So hat der Bundesrat kürzlich auf Initiative der Länder Bayern und Sachsen einen Gesetzentwurf zur Förderung altersgerechten Wohnens in den Bundestag eingebracht. Die Drucksache 18/10256 sieht die Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor, um die Barrierefreiheit und die Elektromobilität zu fördern.
Konkret soll bei Eigentümergemeinschaften der Einbau von Ladestationen nicht mehr von der Zustimmung aller Betroffenen abhängen. Außerdem sollen Vermieter verpflichtet werden, den Einbau einer solchen Ladestation zu dulden.
Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit in der Beratung des Bundestags. Knut Hauschildt ist aber skeptisch, ob es ihm etwas nützt: "Der Gesetzentwurf ist viel zu umständlich und spricht Bruchteileigentümerschaften kaum an."LADESTATIONEN IN TRIER

Extra

Um abseits der eigenen Ladestation ein Elektroauto aufladen zu können, stellen in Trier vor allem die Stadtwerke (SWT) entsprechende Möglichkeiten bereit. Dabei beteiligen sich die SWT an der kooperativen Plattform "Lade netz". Darüber betreiben bundesweit mehr als 70 Stadtwerke mittlerweile rund 700 Ladestationen. In Trier gibt es derzeit 14 öffentliche Ladepunkte an fünf Standorten in der Innenstadt. "Noch in diesem Jahr sollen alle Parkhäuser und Tiefgaragen mit Ladesäulen ausgerüstet werden", sagt SWT-Pressesprecher Carsten Grasmück. Außerdem will das Unternehmen weitere Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum schaffen. Das Thema der Ladeinfrastruktur für Privathaushalte habe man genau im Blick, versichert Carsten Grasmück. Aber: "Da die Gegebenheiten vor Ort sowie die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit individuell sehr unterschiedlich sind, ist die Entwicklung pauschalisierter Angebote nicht so einfach möglich." Für Gewerbekunden würden aktuell verschiedene Modelle bezüglich Aufbau und Betrieb von Ladestationen getestet. "Diese möchten wir Anfang 2017 anbieten", kündigt der SWT-Sprecher an.

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