In die City statt ins Land der Träume

TRIER. Einkaufsbummel zur "falschen Zeit" - von Mitternacht bis in die frühen Morgenstunden - die Aktion "Trier nachtaktiv", veranstaltet von der City-Initiative Trier e. V., machte dies wieder einmal möglich. 75 000 wollten sich das Spektakel nicht entgehen lassen - lieber verzichteten sie auf ihren Schlaf.

Wie bei allen Großveranstaltungen in diesem Jahr gibt es auch bei "nachtaktiv" zunächst ein großes Fragezeichen: Was macht das Wetter? Aufgelockerte Bewölkung mit etwas Sonnenschein lässt am späten Nachmittag noch hoffen - doch je näher die Uhr auf Mitternacht rückt, desto düsterer werden die Aussichten. Schon gegen 21 Uhr prasseln heftige Schauer auf das vorwiegend junge Publikum vor der Rockbühne auf dem Stockplatz. Und auch die Parkhäuser erscheinen zu später Stunde noch verdächtig leer.Der Spaß am Außergewöhlichen

Wird "Trier nachtaktiv" dieses Mal zum Reinfall? Die Sorge erweist sich als unbegründet. Erst zögerlich, dann immer stärker, setzt gegen Mitternacht der Besucherzustrom ein. Mit Bahn, Bus oder dem eigenen Auto kommen die Gäste aus Trier und Region sowie aus den Nachbarländern. Sie suchen das Besondere, das Außergewöhnliche in diesem sonst von Regeln und Vorschriften zugestellten Land. Ein Einkaufsbummel zwischen Mitternacht und beginnendem Morgengrauen - wäre hätte vor zehn Jahren so etwas auch nur zu denken gewagt? Sogar Petrus scheint dies erkannt zu haben und schließt gegen 0.30 Uhr seine Schleusentore. Die Fußgängerzone ist inzwischen gefüllt wie an einem Samstagvormittag. Jakobstraße "Sim", Hauptmarkt, Brotstraße - die Szenerie auf dem nass glänzenden Pflaster erscheint unwirklich. Rund zwei Drittel der Geschäfte - in einigen Straßen auch mehr - haben geöffnet. Kunden, die Jacken und Schuhe anprobieren, in Bücherregalen wühlen oder sich in der Selbstbedienungsbäckerei mit frischen Teilchen versorgen - unwillkürlich geht der Blick regelmäßig zur Uhr, die tatsächlich Schlafenszeit anzeigt. Etwas aber ist anders: Es fehlt die übliche Drängelei des Geschäftsbetriebs, es fehlt die Hektik, es fehlen die gestressten Mienen. Eine merkwürdige Ruhe und Entspanntheit geht von Besuchern und Geschäftspersonal aus. Auch die Mitwirkenden hinter den Ladentheken genießen die Situation offensichtlich. Besondere Mühe hat sich der Handel an der extra ausgeschmückte Neustraße gemacht. Fast alle Läden sind dabei. Sie betreiben - wie auch viele Geschäfte anderswo - Außenstände bei Kerzenschein. Fast südländisches Flair in der Straße, über der gegen 3 Uhr auch noch der Mond aufgeht. Dunkler geht es in der Nagel- und der oberen Fleischstraße zu. Viele Läden haben dort geschlossen. Nicht aber Schuhhändler Rainer Hammes, der über die "dunklen Flecken" klagt. Hammes: "Ich mache nicht wegen des Umsatzes mit, sondern aus Solidarität." Und "erschreckend in dieser Zeit" findet er die Teilnahme-Verweigerung einiger Kaufhaus-Betriebsräte. Doch andere "Große" wie Sinn, C&A oder Woolworth - um nur einige zu nennen - sind dabei. Dies gilt auch für den Buchhandel und die Telekommunikationsbrache. Gegen 3.30 Uhr leeren sich die Straßen. Auf der Sim werden die letzten Laugenbrezel über die Theke geschoben. Die Papierkörbe quellen über, sie werden wenige Stunden später gereinigt sein - wie die Straßen. Wer um 9 Uhr durch die City geht, wird nichts mehr von der Nacht bemerken. War alles nur ein Spuk? Fotos zu "Trier nachtaktiv" auf SEITE 11

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort