Initiative gegen Energiearmut in Trier: Damit Duschen nicht arm macht

Trier · Strom ist teuer. Menschen mit wenig Geld kann ein unkontrollierter Energieverbrauch deshalb in die Armut stürzen. Das zu verhindern, ist Ziel einer ungewöhnlichen Allianz.

 Es ist gar nicht schwer, seine Stromkosten zu reduzieren.

Es ist gar nicht schwer, seine Stromkosten zu reduzieren.

Foto: Rainer Neubert

Wer mit Hartz-IV-Leistungen auskommen muss, kann es sich nicht leisten, Strom zu verschwenden. Dennoch droht immer mehr Menschen das, was als Energiearmut bezeichnet wird. Die Stromkosten sind so hoch, dass sie zu einem existenziellen Problem werden. Im schlimmsten Fall sind die Schulden irgendwann so hoch, dass der Stromzähler gesperrt wird.

Damit es nicht so weit kommt, hat sich in Trier im Rahmen des Bündnisses "Aktiv gegen Armut" eine ungewöhnliche Allianz zusammengetan: Städtische Behörden, der Caritasverband Trier, Organisationen der Verbraucherberatungen, die Stadtwerke und Wohnungsbauunternehmen wollen gemeinsam Projekte gegen Energiearmut voranbringen.

Kern ist dabei der seit zwei Jahren erfolgreiche Stromspar-Check des Caritasverbandes und der Energieagentur, mit dem bislang 286 einkommensschwachen Haushalten geholfen werden konnte. "Jeder Haushalt, in dem wir beraten haben, spart im Durchschnitt 130 Euro Stromkosten im Jahr", verdeutlicht Gerd Aigeltinger vom Deutschen

Caritasverband nach der Gründungssitzung des bundesweit in dieser Form ersten kommunalen Lenkungskreises.
Umgerechnet auf Trier wurden für 35.000 Euro eingesparter Stromkosten 17.700 Euro aufgebracht. Denn jeder beratene Haushalt hat Anspruch auf kostenfreie Soforthilfen von 70 Euro. Das ist beispielsweise die Anschaffung stromsparender LED-Lampen oder eines Kühlschrankthermometers.

"Sieben Grad sind für einen Kühlschrank die optimale Temperatur", sagt Julia Bennwitz-Heit, Projektleiterin des Stromspar-Checks in Trier. "Jedes Grad weniger kostet sechs Prozent mehr." Solche Tipps werden von den vier von der Energieagentur ausgebildeten Stromsparhelfern bei ihren Hausbesuchen an die Betroffenen weitergegeben. Wie schnell und effektiv die Stromrechnung gesenkt werden kann, sei individuell verschieden.

Die Verbraucherzentrale ist mit ihrer Energiekostenberatung eng mit dem Projekt verknüpft. Die Wohnungsgenossenschaft am Beutelweg (Wogebe) und die Wohnungsbaugesellschaft GBT verpflichten sich dazu, in Zukunft bei Sanierung und Neubau noch stärker auf die Vermeidung von Energiefressern zu achten. Zentrale Themen sind dabei der Einsatz von effizienten Heizungs- und Warmwassersystemen im sozialen Wohnungsbau.

Wie wichtig das ist, zeigt eine weitere Statistik der Caritas Trier: 68 Prozent der untersuchten Haushalte erzeugen ihr Warmwasser elektrisch, was etwa viermal so teuer ist als mit Gas. "Diese Leute duschen sich arm", bringt es Julia Bennwitz-Heit auf den Punkt. Zudem heizen zehn Prozent der Haushalte mit Strom.

Die Stadtwerke zählen insgesamt 4300 Haushalte mit Nachtspeicherheizungen in Trier. Vor allem in schlecht gedämmten Wohnungen hat das angesichts stark steigender Strompreise in den vergangenen Jahren zu einer enormen finanziellen Belastung geführt, die im schlimmsten Fall zur Überschuldung führt.

"Das Thema offener Rechnungen gibt es so lange, wie es Strom- oder Gasnetze gibt", weiß Thomas Kiewel von den Stadtwerken Trier, die als Energieanbieter und Netzbetreiber seit zehn Jahren Chipkartenzähler einsetzt (siehe Info). "Wenn Betroffene mit finanziellen Problemen frühzeitig auf uns zukommen, lässt sich die Sperrung eines Stromzählers meistens vermeiden." Um ein zunehmendes Problem kümmert sich derweil der Bürgerservice mit seinem "Haushalts- und Wohnungsführerschein". Im Mittelpunkt stehen dabei Flüchtlinge, denen die Erfahrung im Umgang mit Energie oft vollständig fehlt.

Sozialdezernentin Angelika Birk ist von der Verknüpfung all dieser Projekte begeistert. "Da ist Musik drin." Einen Wermutstropfen kennt sie aber ebenso wie Caritas-Projektleiterin Bennwitz-Heit: "Es gibt noch keine Partner im Kreis Trier-Saarburg. Deshalb können wir dort nicht aktiv werden." Strom nur gegen Vorkasse

Im Netzgebiet der Stadtwerke Trier waren im vergangenen Jahr 500 Zähler gesperrt, das sind 100 weniger als noch im Jahr davor. Die Zahl der Haushalte, in denen es Strom nur gegen Vorkasse mithilfe eines Chipkartenzählers gibt, variiert nach Auskunft der Stadtwerke zwischen 750 und 850. In einem solchen Fall zahlen die Kunden einen von ihnen gewählten Betrag bar im Kundenzentrum und laden damit ihre Chipkarte auf. Bei Stromschulden wird in der Regel wird ein Teil des Betrages zur Tilgung verwendet. Eine vergleichbare Lösung gibt es im Kreis Trier-Saarburg nicht.

Weitere Informationen unter www.stromsparcheck.de
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