"Irgendwann ging es nicht mehr"

Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern nehmen zu. Eltern sind vielfach mit der Situation überfordert, suchen aber oft zu spät professionelle Hilfe. Eine Info-Veranstaltung der vom TV unterstützten Elternschule zeigte das deutlich.

Trier. (red) "Irgendwann ging es nicht mehr." Die Verzweiflung, die Hilflosigkeit ist der jungen Mutter noch heute anzumerken. Lange hatte sie gewartet, bis sie mit ihrem ältesten Sohn professionelle Hilfe in Anspruch nahm. Er fiel durch aggressives Verhalten auf, ständig musste die Mutter ihn aus dem Kindergarten abholen, weil er andere Kinder prügelte. Als die ganze Familie unter der Situation litt, ging sie zum "Sozialpädiatrischen Zentrum" in Trier. Dort half man ihr, behandelte den Sohn erfolgreich. Bei ihren beiden anderen Kindern, die ebenfalls verhaltensauffällig sind, wartete die Mutter dann nicht mehr so lange. Auch mit ihnen ist sie mittlerweile in Behandlung, wie sie bei der Info-Veranstaltung zum Thema "Verhaltensauffälligkeiten im Rahmen der Elternschule der Landeszentrale für Gesundheitsförderung im Trierer Mutterhaus sagte. Rund 100 Eltern und Erzieher waren zu der Veranstaltung gekommen. Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern nähmen drastisch zu, bestätigte dabei Marie-Luise Ipach, ärztliche Leiterin des "Sozialpädiatrischen Zentrums". Grund dafür seien mangelnde Bewegung und zunehmender, unkontrollierter Medienkonsum (Fernsehen, Computer, Video-Spiele). Falls Eltern Verhaltensauffälligkeiten wie etwa zunehmende Aggressivität oder ständige Unruhe bei ihren Kindern feststellten, sollten sie versuchen, den Alltag möglichst zu strukturieren, etwa mit Ritualen wie regelmäßiges Bewegen oder Vorlesen. Doch das ist nicht immer ganz einfach, wie Petra Stockemer von der Selbsthilfegruppe bei der von TV-Redakteur Bernd Wientjes moderierten Runde bekannte. Eltern betroffener Kinder seien ohnehin schon emotional angespannt, jede weitere Belastung sei kaum zu machen. Die Experten, wie die Psychologin Margit Fornefeld, raten dazu, so schnell wie möglich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Immer wenn eine Verhaltensauffälligkeit die gesamte Familie belaste, müsse etwas getan werden, sagte Alexander Marcus, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Mutterhaus. Nicht immer stecke gleich ein Aufmerksamkeitsdefizit (ADS) oder Hyperaktivität dahinter. Etwa zwei Prozent der Kinder leiden unter dieser Krankheit. In vielen Fällen würden nur noch Medikamente helfen, weil die Kinder ansonsten nicht mehr in der Lage seien, am normalen Alltagsgeschehen teilzuhaben, sagte Ipach. Es gebe allerdings keinen Grund, die Medikamente zu verteufeln. Kein Arzt verschreibe diese leichtfertig, nur wenn es gar nicht mehr anders gehe, verteidigte sie die Therapie. Petra Stockemer warnte davor, Eltern, die ihren Kindern die Tabletten geben, zu verurteilen. Ohne sie gehe es dann nicht mehr, man wolle nur das Beste für die Kinder. Über die Ursachen von ADS gibt es unterschiedliche Ansichten. Laut Marcus spielen häufig Komplikationen während der Schwangerschaft und der Geburt eine Rolle. Auch die Ernährung könne zur Krankheit beitragen. Nicht unwesentlich sei das familiäre Umfeld, sagte die Psychologin Fornefeld, die auch genetische Ursachen nannte.

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