Jetzt dreht Trier jeden Cent um

Politik paradox: Der von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) abgelehnte Trierer Haushalt wird zum Symbol eines aus Sicht der Stadt unlösbaren Problems. Noch ist völlig offen, welche - dringend notwendigen - Investitionen der geforderten Kredit-Rückführung zum Opfer fallen.

Trier. Das Verb "sparen" kann in der Kommunalpolitik leicht in die Irre führen. In einem Privathaushalt - von der Spardose der Kleinsten bis zu Papas Gehaltskonto - bedeutet "sparen" das systematische und regelmäßige Zurücklegen eines bestimmten Betrags, der irgendwann zu einer Summe anwachsen soll, mit der man dann die kaputte Waschmaschine austauscht oder den ersehnten Flachbildfernseher anschafft. Auch die Stadt Trier soll sparen, doch das hat mit systematischem Zurücklegen nichts zu tun. Stattdessen müssen sich die Dezernate, die Ausschüsse und schließlich der Stadtrat die Liste der Investitionen noch einmal vornehmen. Um im Denkmuster der Privathaushalte zu bleiben: Diese Liste umfasst keinen Luxus wie Flachbildfernseher, sondern besteht ausschließlich aus Zwängen und Notwendigkeiten wie kaputten Waschmaschinen - die alle über Kredite angeschafft werden. Und ein paar Ladungen Trierer Schmutzwäsche müssen jetzt wohl noch liegen bleiben - von städtischen Rumpelstraßen bis zu maroden Schulgebäuden.Kredite strecken und Einnahmen erhöhen

Die ADD hat den im Dezember 2007 gegen die Stimmen der Grünen vom Trierer Rat beschlossenen Haushalt abgelehnt und fordert eine Rückführung des Trierer Kreditvolumens um 3,2 Millionen Euro (der TV berichtete). "Wir haben zwei Möglichkeiten", sagte OB Klaus Jensen gestern dem TV. "Wir können die Kredite strecken und unsere Einnahmen erhöhen."Die Kredite strecken - und wieder wundert sich der Privathaushalt. Das ändert weder etwas an der Höhe der zu borgenden Summe noch an der völligen finanziellen Überforderung der Stadt Trier, doch rein rechnerisch würde es die im Haushalt 2008 stehende Kreditsumme verringern. Und auch die Erhöhung der Einnahmen kann kein Stein der Weisen werden. Hauptsächlich meint der OB wohl die vom Rat abgelehnte Erhöhung der Parkgebühren unter freiem Himmel um 20 Prozent. Doch auch wenn der Rat diese doch noch beschließt, wird sie um die 350 000 Euro einbringen. Was bei weitem nicht reichen würde."Ich gehe davon aus, dass wir bis zu den Sommerferien einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen können", sagt der Oberbürgermeister. "Außerdem baue ich auf die Zusage des Landes, den Kreisen und kreisfreien Städten Zuschläge zu gewähren." Meinung Die Frage nach der Schuld Die Trierer Haushalts-Krise ist ungeachtet aller Tragik und Unlogik hochinteressant. Denn es stellt sich die in der Politik beliebte Frage: Wer trägt die Schuld? Mit dem ersten Haushalt seiner Amtszeit erhält OB Klaus Jensen - der auf seiner Unabhängigkeit bestehende Sozialdemokrat - eine massive Rüge vom Land. Mit einer derartigen Einmischung hatte sich sein CDU-Vorgänger Helmut Schröer nie rumschlagen müssen. Trägt also Jensen die Schuld? Nein. Denn der Haushaltsentwurf seiner Verwaltung hatte die Debatte im Rat nicht überlebt. Statt der Konsolidierung von 2,5 Prozent stiegen die Zuschussbudgets der Dezernate um fast 3,3 Prozent. Und so wurde der Haushalt von CDU, SPD, UBM und FDP verabschiedet. Diese Fraktionen übten harte Kritik an den Dezernenten, insbesondere an den Budgets von Ulrich Holkenbrink und Simone Kaes-Torchiani (beide CDU), stimmten dann dem Haushalt aber doch zu. Verständlich: Eine Blockade hätte die Situation nur verschlimmert. Wer trägt also die Schuld? Die Dezernenten, die ihre Budgets mit Tricks und Kniffen bearbeiten, oder die Fraktionen, die sie dafür zwar beschimpfen, es ihnen aber durchgehen lassen? Auch hier macht ein Schuldspruch keinen Sinn. Dezernenten wie Fraktionen sind Spielbälle eines Systems, in dem nichts mehr stimmt und das dringend reformiert werden muss. j.pistorius@volksfreund.de

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