Jugendstil-Keramik für den Weltmarkt

Trier · Bis heute stehen in Trier-Ehrang Reste einer Fabrik, deren Keramik-Werke in die ganze Welt exportiert wurden. Dem ein oder anderen Ortsansässigen könnte das Unternehmen noch unter dem Namen Agrob bekannt sein. Gegründet wurde es bereits 1877 als Lamberty Servais & Cie. In einer Kabinettausstellung des Stadtmuseums Simeonstift sind bis 22. November Erzeugnisse der Ehranger Servais-Werke ausgestellt.

Trier. Hätte es der Zufall nicht anders gewollt, wäre ein Stück regionaler Kunstgeschichte vielleicht in Vergessenheit geraten. Dass in Ehrang bis 1993 Keramik gefertigt wurde, ist vielen noch ein Begriff. "Bei der Firma Agrob hat jedoch keiner große Kunst vermutet", sagt Bernd Röder, der Kurator der Ausstellung.
Agrob hieß allerdings bis in die 50er Jahre "Servais-Werke" und begegnete den Trierer Museumsmitarbeitern unter diesem Namen. Denn ausgerechnet auf der größten Kunstmesse der Welt in Maastricht tauchten einige grazile Jugendstil-Keramiken aus Ehrang auf. Woher sie stammten, wusste die Ausstellerin nicht. Doch das Interesse des Trierer Stadtmuseums war geweckt.
Figuren, Fliesen, Vasen


In den folgenden Jahren wurde nachgeforscht und versucht, eine kleine Sammlung anzukaufen. Mit Erfolg. Im Kabinett des Museums begegnen dem Besucher bis Ende November in Regenbogenfarben schimmernde Figuren, florale Fliesen und geschwungene Vasen. Der Fokus liegt dabei auf Stücken aus dem frühen 20. Jahrhundert. Damals hatte das Unternehmen bereits um die 750 Beschäftigte und war in wenigen Jahren rasant gewachsen.
Gegründet wurde es 1877 von Philipp Lamberty, Bernhard Ferrig und Paul Servais. Während Lamberty und Ferrig bereits in einem Bodenplattenwerk in Wasserbillig zusammengearbeitet hatten, stieß Paul Servais (1848-1908) aus einem ganz anderen Bereich hinzu: Der spätere Namensgeber der Servais-Werke war Direkter eines luxemburgischen Eisenhüttenwerks gewesen. Da sich das Eisen-Gewerbe aber an andere Standorte verlagerte, stieg er aus dem Bereich aus und investierte sein Kapital in die neue Keramik-Produktion. Auf den Standort Ehrang fiel die Wahl der drei Gründer wegen der guten Verkehrsanbindung. Bereits seit 1871 verliefen Bahnschienen entlang des Ortes.
Gestartet wurde mit einer 70-köpfigen Belegschaft, die noch aus der Wasserbilliger Zeit von Lamberty und Ferrig stammte. Anfangs wurden nur einfache Platten hergestellt, die zwar praktisch, aber wenig schmuckvoll waren. Bald wurden auch dekorativere Mosaikfliesen ins Repertoire aufgenommen, die fast wie ein richtiges Mosaik aussehen, aber damals um einiges erschwinglicher waren. Erst um 1898 brachte die Firma die glasierten Fliesen auf den Markt, für die sie heute bei Sammlern bekannt ist. Als großflächige Wandbekleidungen kleideten die Stücke oft ganze Räume aus. Dazu wurden manchmal sogar Keramik-Brunnen in die Wände eingelassen. Ganz gleich, ob Fliesen oder Figuren - die Servais-Produkte avancierten zu einem echten Exportschlager. So kann man als Ehranger die Kathedrale von Jakarta oder die Heilig-Geist-Kirche in Buenos Aires betreten und am anderen Ende der Welt ein Stück Heimat in Keramikform finden.Extra

Im Rahmen der Ausstellung (bis 22. November) bietet das Stadtmuseum Simeonstift spezielle Veranstaltungen zu den Servais-Werken: Sonntag, 11. Oktober, 15 Uhr, Führung zum Thema "Material und Design" Samstag, 31. Oktober, 18 Uhr, Vortrag "Vom Rohstoff zur Fliese" Sonntag, 15. November, 15 Uhr: Vortrag "Keramikproduktion im Wandel - von Servais bis Agrob" nhl

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