Junger Mann in Lebensgröße ohne Sockel

Karl Marx

Warum war Trier nur so ideenlos? Der Großstadt Trier steht es gut an, im öffentlichen Raum ihres so berühmten Sohnes Karl Marx zu erinnern. Das Modell, das zwei Tage lang auf dem Simeonstiftplatz stand, hat zahlreiche neugierige Medienvertreter und Bürger angelockt. Der sonst eher etwas vernachlässigte Platz wurde wohltuend belebt. Obwohl das helle hölzerne Modell vor der Natursteinwand des ehemaligen Simeonstifts natürlich farblich anders wirkt als eine geplante dunkle Bronzefassung, ist es doch die Person Karl Marx, die anziehend wirkt und zu Diskussionen anregt. Genau diese hätten die Trierer Künstler in den letzten Jahrzehnten besser selbst angefeuert, denn dann müssten wir jetzt nicht über das Geschenk des sozialistischen China debattieren. Eines Landes, welches Bürger- und Menschenrechte mit Füßen tritt und einen auf einem Sockel stehenden Karl Marx zeigt, wie es sozialistische und kommunistische Staaten getan haben und weiterhin tun.
Karl Marx hat seine Jugendzeit in Trier verbracht. Hier ist er als ein Freidenker herangewachsen, hier wurde die Basis für seine hehre Idee einer gerechten Gesellschaft gelegt. Warum zeigen wir in seiner Geburtsstadt nicht einen jugendlichen oder jungen Marx, der einem unspektakulär als Bürger begegnet - ohne Sockel, auf Augenhöhe, in Lebensgröße und mit offenem Blick in eine zu gestaltende bessere Zukunft? Denn das ist heute weiterhin Thema auch für jüngere Generationen. Ein solcher Marx hätte auf dem intimen Platz bei seinem Geburtshaus ausreichend Raum - vielleicht in Gedanken auf einer Bank sitzend oder in forschem Schritt Richtung Zukunft. Schade, dass scheinbar kein Trierer Künstler auf eine solche Idee gekommen ist oder etwas in dieser Art vorgeschlagen hat. Oder vielleicht auch einfach nicht hat realisieren können.
Bettina Leuchtenberg, Kunsthistorikerin Trier

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