KOMMENTAR: In der Hitze der Nacht

Sitzungen von Studentenparlamenten entwickeln bisweilen eine eigene Dynamik. Wer je einem solchen Gremium angehört hat, kennt das Phänomen: Nach stundenlangen Debatten, Abstimmungen, Verhandlungen entsteht irgendwann um Mitternacht das irrige Gefühl, man habe die Aufgabe, den Kampf mit allen düsteren Mächten der Welt aufzunehmen: mit der Politik, dem Kapital, dem Krieg oder, wenn kein anderer Gegner mehr zur Verfügung steht, notfalls auch mit der Kirche. So ähnlich muss es wohl im Stupa der Uni Trier gewesen sein, als man zu später Stunde über die Aufkündigung der Kooperation mit der Katholischen Akademie debattierte, als Kampfsignal an die "große, gefährliche Sekte", wie nicht irgendein irregeleitetes Schäflein aus den hinteren Bänken räsonnierte, sondern ein langjährig führender Kopf der Trierer Studentenpolitik. Nun könnte man den ganzen Vorgang durchaus unter "Na sowas" abbuchen, träfe er nicht mit der Katholischen Akademie eine Institution, deren Wirkung weit über kirchliche Kreise hinausgeht und die sich in den letzten Jahren zu einem unverzichtbaren, gesellschaftspolitisch relevanten Diskussionsforum entwickelt hat, wie es in Trier gebraucht wird. Wer kritische Fragen stellt zu Weltwirtschaftsordnung, Turbokapitalismus, rechtsradikalen Umtrieben oder gesellschaftlicher Gewalt - also zu allen Themen, die einem fortschrittlichen AstA am Herzen liegen müssten - fand und findet im Robert-Schuman-Haus ein diskussionsfreudiges Umfeld. Man muss weder Papst noch Bischof mögen, um die Arbeit der Akademie anzuerkennen - und ihren Nutzen gerade auch für die Gruppe der Studenten. Das sollte auch einem Studentenparlament nicht verborgen bleiben. Noch ist nix verloren: Die Studentenvertreter könnten, statt jetzt semantische Nachhutgefechte zu führen und ihre Aussagen umzuinterpretieren, einfach sagen: Sorry, wir haben uns vergaloppiert. Kann ja mal vorkommen. Es war schließlich spät und die Sitzung dauerte schon viele, viele Stunden.

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