Kaltfront bringt Sintflut

TRIER. Eine Kaltfront mit sintflutartigen Wassermassen, starken Sturmböen und einem Temperaturabfall von zehn Grad Celsius stürzte am Freitagabend Trier ins Chaos. Ein Unfall forderte drei Verletzte. Durch herumfliegende Äste wurde nach Polizeiangaben niemand verletzt.

Beinahe bis zum Boden reichte die schwarze, dünne Wolkensäule, die am Freitagabend, kurz nach halb acht, über der Gusterather Höhe zu sehen war. Davor war der Himmel hellblau, dahiner türmten sich schwarze Wolken. Minuten später war die Kaltfront mit ihren Wassermassen über der City. "Die schwarze Säule war keine Windhose", erklärt Bernd Kulisch vom Deutschen Wetterdienst. Die so genannte Böenlinie sei entstanden, weil die Kaltfront "wie ein Staubsauger" gewirkt habe: "Erst wird die wärmere Luft von der Front angezogen und schießt nach oben, dann ändert die abgekühlte Luft wieder die Richtung und windet mit der Gewitterwolke." Über etliche Bäume und Dächer ist dieser kraftvolle, zerstörerische Drehwind gefegt. Schwere Sturmböen der Windstärke neun kamen dazu. In nur zwei Stunden fielen über 40 Liter Wasser pro Quadratmeter. "So viel wie sonst in einem halben Monat", sagt Kulisch. Die Temperatur fiel von über 25 Grad Celsius auf 16 Grad. "Trier lag im Zentrum des Gewitters", erklärt der Experte von der Wetterstation auf dem Petrisberg. "Auf dem Domfreihof hat es ausgesehen, als hätte eine Bombe eingeschlagen", erzählt eine Studentin, "überall lagen kleine und große Äste." Die Kellner, die versuchten, ihre Terrassenschirme noch schnell zu schließen, wurden nass bis auf die Haut. In der Fußgängerzone rannten die Passanten, um Unterschlupf zu finden. Überflutungen, ein Hangrutsch und lange Staus

Auf den Straßen herrschte Chaos: Überall blieben Autofahrer stehen, weil der Regen eine undurchsichtige Schicht auf den Windschutzscheiben ihrer Autos bildete. Eine Autofahrerin half einer Seniorin aus dem Auto: "Die alte Dame stand völlig unter Schock, konnte kaum sprechen und zitterte nur noch." "Bei uns haben die Notruf-leitungen nicht still gestanden", sagt Hans Greif, Einsatzleiter der Polizei Trier, "es herrschte der absolute Ausnahmezustand." Auf der "Pellinger" kam gegen 20 Uhr kurz vor Trier ein Autofahrer auf regennassem Asphalt von der Straße ab, überschlug sich mit seinem Wagen und landete unverletzt im Graben. Eine Dreiviertelstunde später fuhr auf der Ehranger Moselbrücke ein 36-Jähriger auf eine im stürmenden Regen stehen gebliebene Autokette auf. Durch die Wucht des Aufpralls wurde eine 43-jährige Frau im letzten Auto der Schlange eingeklemmt und ihr Auto gegen den davor stehenden Wagen geschleudert. Die Frau wurde schwerverletzt geborgen, der Unfallfahrer und der Fahrer des vorderen Autos wurden leicht verletzt. Die Ehranger Brücke blieb für zwei Stunden in Richtung Luxemburg gesperrt. In Olewig brachten die Wassermassen den Hang an der Olewiger Straße ins Rutschen. Tonnenweise brauner Schlamm ergoss sich auf die Fahrbahn. Bis zwei Uhr in der Nacht musste die Straße voll gesperrt werden. Der Verkehr staute sich bis zur Universität. Die Wassermassen fluteten die Unterführung in der Trierer Schönbornstraße: Ein Auto musste geborgen werden, die Unterführung blieb für längere Zeit gesperrt. Barbaraufer, Südallee, Luxemburger Straße, Herzogenbuscher und Konstantinstraße waren durch abgerissene Baumteile und umgeknickte Bäume blockiert. Die Ehranger Bahnunterführung zum Hafen war wegen Überflutung gesperrt, auch in den Keller des Ehranger Krankenhauses drangen Wassermassen. Auf der Koblenzer Straße in Quint stand das Wasser so hoch, dass kein Durchkommen war. Durch Lichtschächte floss Wasser in zwei Zimmer des Mercure-Hotels Porta Nigra und zwang die Gäste zum Umziehen. In der Spielbank tropfte es auf den Roulette-Tisch. An tief liegenden Stellen drückte das Wasser Kanaldeckel hoch. Jürgen Slowik, Pressesprecher der Stadtwerke Trier: "Unseren Leuten blieb teilweise nichts anderes übrig als abzuwarten. Die Wassermassen waren einfach zu heftig." Mit zwei Pumpfahrzeugen und vier Mitarbeitern versuchten die Versorgungswerke, die Kanäle zu befreien. Zwölf Mitarbeiter waren unterwegs, um das Stromnetz in Gang zu bringen, das in Teilen Triers ausgefallen war. Bei dem Großeinsatz der Hilfskräfte waren alle elf Freiwilligen Wehren der Stadt mit ihren Löschzügen dabei, 192 Feuerwehrmänner - darunter 152 "Freiwillige" - halfen bis Samstagmorgen den Menschen aus ihren Notsituationen. Die Berufsfeuerwehr trommelte dazu auch dienstbefreite Mitarbeiter zusammen. "Insgesamt hatten wir 141 Einsätze", sagt Karl-Heinz Palzer von der Feuerwehr Trier. 120 Mal rückten die Wehren aus, um vollgelaufene Garagen und Keller leer zu pumpen, 18 Mal, um vom Wind gefällte Bäume von den Straßen zu räumen. "Rund 200 Notrufe gingen bei uns ein", sagt Palzer. "Einen Einsatz dieser Größenordnung haben wir höchstens einmal im Jahr."

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