Kampf um ein würdiges Leben

TRIER. Ein Wohnungsbrand beraubte eine Trierer Familie ihrer gesamten Habe. Die Hilfe des Sozialamtes sei nur schleppend angelaufen, wirft Birgit Müller (Name von der Redaktion geändert), die seit vielen Jahren um ihre Rechte als Sozialhilfeempfängerin kämpft, dem Amt vor.

"Man muss quasi ein halbes Jurastudium haben, damit man beim Sozialamt zu seinem Recht kommt", behauptet Birgit Müller. Bis zur Geburt ihres ersten Kindes hatte die diplomierte Modedesignerin ein kleines Modegeschäft in der Karl-Marx-Straße. "Hochschwanger und ohne Unterstützung von meinem Mann musste ich den Laden aufgeben." Nach der Geburt des dritten Sohnes trennt sich die heute 50-jährige von ihrem gewalttätigen Ehemann. Das Sozialamt bleibt ihre Anlaufstelle. "Schon damals war das Amt mir keine große Hilfe", sagt Müller. Über die Jahre häufen sich die Streitigkeiten zwischen der Frau, die weiß, was sie will, und dem Trierer Sozialamt. Mal geht es um Stromrechnungen, mal um Kleiderbeihilfen, deren Höhe - laut Müller zwei Mal jährlich 55 Euro pro Familienmitglied - die Frau als zu gering befindet. "Über die Höhe von Kleiderbeihilfen entscheidet der nachgewiesene Bedarf", verteidigt sich das Sozialamt. Was ihr zusteht, meint Birgit Müller aus dem Buch "Mein Recht auf Sozialhilfe" zu wissen. "Da steht auch drin, dass das Sozialamt zu Hilfe und Beratung verpflichtet ist", sagt die schmale blonde Frau. "Aber mir kommt es vor, als seien das alles eher Steuersparer als Sozialhelfer." Das Amt wehrt sich: "Frau Müller verkennt die Aufgabe der Sozialhilfe. Wir haben die Pflicht, öffentliche Mittel treuhänderisch zu verwalten und das Lohnabstandsgebot zwischen dem Niveau der Sozialhilfe und den Löhnen unterer Lohngruppen zu beachten."Auf Kosten des Amts in ein Hotel

Darum, was zu einem menschenwürdigen Leben gehört und welche Forderungen nicht mehr angemessen sind, ging es auch, als am 22. Juni die Wohnung der Müllers wegen einer unbeaufsichtigten Kerze abbrannte. "Wir hatten nichts mehr, nur noch die Kleider, die wir am Leib trugen", erzählt Müller, die den Schock noch nicht überwunden hat. "Von selber ist das Amt nicht aktiv geworden. Ohne Hilfe von Freunden hätte ich ganz alleine dagestanden", sagt sie. Die ersten zehn Tage kam Müller bei einer Freundin unter, ihre drei Söhne bei den Familien von Schulkameraden. Nach zehn Tagen zog Birgit Müller auf Kosten des Amts in ein Hotel um. Das Sozialamt half nach dem Wohnungsbrand mit einem Barscheck über 300 Euro für den Kauf notwendiger Bekleidung aus. Außerdem seien Mitte Juni über 200 Euro für die Renovierung der später abgebrannten Wohnung überwiesen worden, die für den gedachten Zweck ja nicht mehr verwendet worden seien. Das Wohnungsamt bot den Müllers eine Wohnung in Trier-West an. "Da wollen wir aber nicht hin", sagt Birgit Müller, "mein Sohn ist wegen seiner dunklen Hautfarbe dort schon mal verfolgt worden." Das zweite Wohnungsangebot nimmt sie an. Aber die städtische 114-Quadratmeter-Wohnung in Trier-Ehrang muss renoviert werden. "Meine Sachbearbeiterin sagte mir, dass ich selber tapezieren und streichen solle", erzählt Müller ein bisschen empört. Dabei habe sie vom Arzt attestierte Arthrose und ein Rückenleiden. Und ihre Söhne - 15, 17 und 19 Jahre alt - hätten noch nie tapeziert. Das Amt bewilligt 294,60 Euro für nötige Utensilien. "Weil sie mit den Renovierungsarbeiten überfordert sei, beantragte Birgit Müller, einem Malerbetrieb einen Renovierungsauftrag in Höhe von 3000 Euro zu geben", heißt es aus dem Amt. "Unabhängig von der Frage, ob die angestrebte Kostenübernahme aus öffentlichen Mitteln angemessen wäre" vereinbart das Amt mit der sozialen Einrichtung "Palais e.V." die Übernahme der Renovierung für 400 Euro. Ihre Einrichtung müssen sich die Müllers auf den Möbelbörsen sozialer Einrichtungen besorgen. "Unsere Hilfe orientiert sich nicht am Wünschenswerten, sondern am unabwendbaren Bedarf", heißt es aus dem Amt. "Unsere Beihilfe ist daher keinesfalls mit den Leistungen einer Hausratversicherung vergleichbar. Die Sozialhilfe soll ein Leben ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht." Eine zusätzliche Klassenfahrt gehört für das Amt nicht dazu. Die Kosten für die Klassenfahrt des Sohnes Benedikt (Name geändert), Schüler des Hindenburg Gymnasiums, im Mai nach Holland hatte das Amt übernommen. Auf die gemeinsame Fahrt seiner Archäologie Schul-AG nach Griechenland für 690 Euro hätte er jedoch von Amts wegen als einziger aus der Schüler-AG verzichten müssen - hätten nicht Freunde und der Trierer Kulturverein das Geld leihweise zur Verfügung gestellt.

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