Karl Marx als Kunstwerk

Der Hamburger Künstler Jonathan Meese hat seine Ausstellung "Das Gruselkabinett des Dr. Erzmarx" mit eigenwilligen Installationen im Trierer Karl-Marx-Haus persönlich eröffnet. Kunstinteressierte Besucher mit Hang zur Exzentrik haben bis zum 31. August Zeit, sich selbst ein Bild von der Arbeit des viel diskutierten Gegenwartskünstlers zu machen.

 Jonathan Meese inmitten seiner Installation: Das hölzerne Raumschiff „Die Marx“ ist eine Hommage an den Philosophen . TV-Foto: Kim-Björn Becker

Jonathan Meese inmitten seiner Installation: Das hölzerne Raumschiff „Die Marx“ ist eine Hommage an den Philosophen . TV-Foto: Kim-Björn Becker

Trier. (kbb) Man könnte ihn für verrückt halten, für realitätsfremd und naiv. Man könnte ihn als nicht ernst zu nehmenden Bewohner seiner eigenen Fantasiewelt abstempeln. Das wäre, zugegeben, der leichteste Weg, sich mit der Kunst des Hamburgers Jonathan Meese auseinanderzusetzen und überdies zu einem schnellen Urteil zu kommen. Denn auf den ersten Blick wirkt das, was der 37-Jährige mit Pinsel, Papierschnipseln und allerhand Requisiten zusammenbastelt, - gelinde gesagt - gewöhnungsbedürftig. Meese polarisiert. Doch mit seiner eigenwilligen Kunsttheorie vermochte der Exzentriker auch in Trier das kunstinteressierte und vor allem junge Publikum anzuziehen. Im Karl-Marx-Haus eröffnete er, zusammen mit dessen Leiterin Beatrix Bouvier und Kurator Robert Eikmeyer, die Schau mit dem Untertitel "Der Getreidedaddy".Meese prophezeit Marx' Wiedergeburt

Im Erdgeschoss des Museums wichen die beleuchteten Infowände einer Holzkapsel, die gerade hoch genug ist, um aufrecht darin stehen zu können. Das Innere besteht aus einem Potpourri aus Farbklecksen, Wortspielen und Installationen. Die Kapsel ist eigentlich ein Raumschiff, das Meese "Die Marx" getauft hat. "Karl Marx war ein Ultrarevolutionär, und Karl Marx ist Kunst", erklärt er. Überhaupt sei alles Kunst, was in der Vergangenheit liegt. Und es sei an der Kunst selbst, die Welt zu regieren: "Ich weiß noch nicht genau, wie das vonstatten gehen wird, aber die Menschheit ist kurz davor. Alles hatten wir schon: Diktatur, Sozialismus, Demokratie. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch mal die Kunst an der Reihe ist." Das Kunstwerk als solches besitzt dabei eine eigene Qualität, es ist fähig zur Kommunikation mit anderen Kunstwerken - der Künstler nimmt indes eine untergeordnete Position ein. "Es geht dabei nicht um den Menschen. Menschen sind behaftet mit Befindlichkeiten", sagt Meese. Der sensible Exzentriker ist derzeit einer der gefragtesten deutschen Gegenwartskünstler, hatte Einzelausstellungen in London und New York. Interessant ist bei der Trierer Installation vor allem das Innere des "Raumschiffes": Zettel mit Zahlen flattern umher, eine Gruppe Skelette sitzt in einer Ecke. Etwas weiter befindet sich eine Krippe, dort wird nach Auffassung des Künstlers der visionäre Karl Marx wiedergeboren werden. "Spätestens 2023", konkretisiert Meese. Warum gerade in diesem Jahr, bleibt unklar.Publikum fasziniert oder verständnislos

Vom Vernissage-Publikum erntet der Künstler Beifall - wobei nicht klar ist, ob die Faszination aus der unkonventionellen Weltauffassung oder doch aus der bloßen Exzentrik des Künstlers ausgeht. Die Besucher begegneten der Installation ambivalent. Worte der Faszination und Blicke des Unverständnisses hielten sich die Waage. Doch ob seine Kunst den Betrachtern gefällt oder nicht, ist für Meese zweitrangig. Schließlich geht es nicht um den Künstler, sondern um die Kunst. Wie immer man letztere definieren mag.

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