Karl Marx statt Biergarten

TRIER. Maria im Rollstuhl, Napoleon-Becher und Phalluslampen - Triers erster langer Abend der Museen und Römerbauten wartete mit allerhand Überraschungen auf. Ein vielseitiges Programm machte den Museumsbesuch auch bei Biergarten-Wetter zum Erlebnis.

"Sie werden es nicht glauben, aber ich war dabei!" Aus einem dunklen Gang des Amphitheater-Kellers springt plötzlich eine Gestalt mit brennender Fackel hervor. Der Gladiator Valerius ist zurückgekehrt und lässt in der Phantasie seiner Zuhörer wilde Tiere, zum Tode Verurteilte und heroische Gladiatoren auferstehen. "Es war eine perfekt organisierte Vergnügungs-Veranstaltung - nur dass die Akteure tatsächlich sterben mussten", verkündet Valerius alias Raimund Wissing in schaurigem Tonfall. Ein imaginärer Zweikampf ist Höhepunkt seiner Kurzvorstellung, die den Auftakt des Museumsabends bildet.Bis Sonnenuntergang standen Porta Nigra, Kaiserthermen und Amphitheater offen, die Museen sogar bis 23 Uhr. Die Idee hatte Hans-Albert Becker, Geschäftsführer der Tourist-Information Trier (TIT), gemeinsam mit den Museen entwickelt. Resonanz: rundum positiv.Im Dom- und Diözesanmuseum präsentiert die Ausstellung "Maria im Abseits? - Mariendarstellungen nach 1945" ganz neue Seiten der Gottesmutter. Neben einer Maria im Rollstuhl von Josef Holzner zeigte sich Peter Blakes "Madonna on Venice Beach" mit ihrem Kind unter Palmen am Sandstrand. Auf Klaus Schneiders Beitrag "Eine gute Nachricht ist immer auch eine Nachricht vom Versagen der Welt" hingegen ist Maria nur noch verschwommen hinter Blindenschriftzeichen zu erkennen.Geschichte zum Anfassen konnten Besucher des Simeonstifts erleben. Direktorin Elisabeth Dühr ließ ihre Gäste den vergoldeten Napoleonbecher in Handschuhen halten, aus dem der Kaiser bei seinem Trier-Besuch 1804 den Ehrenwein getrunken hatte. Die schlauen Bürger überließen das gute Stück jedoch anschließend nicht Napoleon, sondern feierten selbst noch ausgiebig mit Wein aus dem Prunkstück, verriet Dühr mit einem Schmunzeln.Im Nebenraum präsentierte Ralf Schmitt, Dozent für Modedesign an der Trierer Fachhochschule, modische Cocktailkleider aus den 30er, 50er und 60er Jahren. Sie wurden von Schülern der 1922 eingeführten Modeklasse der Trierer Handwerker- und Kunstgewerbeschule entworfen.Besucher des Landesmuseums sahen sich unwillkürlich in die Antike zurückversetzt. Im Schein römischer Öllampen vor römischen Mosaiken führte Thomas Fontaine vor, was elektrische Lampen heutiger Zeit vermissen lassen. Die kleinen Tonlampen hauchten den antiken Statuen und Bildern wieder Leben ein. "Das ist eine ganz andere Atmosphäre und sehr beeindruckend", schwärmte Besucherin Ingrid Altier. Im römischen Alltag waren die Lampen ein Massenprodukt für jedermann. Mitunter wurden sie mit Bilder erotischer Szenen ausgestattet. Eine Trierer Spezialität sollen laut Fontaine Phalluslampen gewesen sein, deren Docht aus dem Phallus einer Rennfahrerstatuette erwuchs.Das vielfältige Nachtprogramm wurde außerdem noch durch eine Toga-Stadtführung der TIT sowie Führungen durch das Karl-Marx-Haus und einen Trier-Rundgang "auf den Spuren von Karl Marx" ergänzt. Insgesamt zeigten sich Veranstalter wie Teilnehmer sehr zufrieden mit dem Erfolg der Aktion, auch wenn es bei einigen Vorträgen zu Verspätungen kam und die Besucherströme sich unterschiedlich stark auf die Angebote verteilten. Die TIT plädiert angesichts der "trotz zu guten Wetters" gelungenen Premiere für eine Wiederholung der Aktion am 30. August. Dann sind auch die Geschäfte der Trierer City bis in die Nacht hinein geöffnet.

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