Katz kann Krallen schärfen

TRIER. Alle Jahre wieder in der Vorweihnachtszeit erscheint das Jahrbuch der "Kleinen anderen Trierer Zeitung" – kurz: Katz. "Kritisch" nennt es sich – und daher teilen die Aufsätze diverser Autoren auch entsprechend aus.

Bunt-poppig liegt es wieder in den Regalen der Trierer Buchhandlungen: das Katz-Jahrbuch. Schon die Titelseite zeigt, dass die Autoren wenig Respekt vor Autoritäten haben. Da macht der deutsche Papst Benedikt in einer Foto-Montage Einwurf mit einem Fußball und stimmt auf einen Themen-Schwerpunkt des Jahrbuchs ein: die Diskussion ums runde Leder. Neben einem Interview mit Ex-Eintracht-Trainer Paul Linz, ("Ich werde unter Garantie noch einmal zur Eintracht zurückkehren"), geht es auch um den legendären Spieler Johan Cruyff und den FC Homburg. Grünen-Stadtrat Manfred Becker erzählt, wie ihm sein Sportlehrer Janos Gerdov - eine Legende des Trierer Max-Planck-Gymnasiums - Fußballspielen beigebracht hat. Logisch, dass sich Jahrbuch-Chefredakteur und Ober-Kritiker Helmut Schwickerath bei soviel Fußball dann auch als Papst-Unterzeile für das Titelbild "Habemus iniectum" (Wir haben Einwurf) ausgedacht hat. Gewohnt provokant nimmt der 138-seitige Band seine Leser auf eine ironisch-kritische Reise durch das öffentliche Trierer Leben und den deutschen Zeitgeist mit. Dabei wird natürlich auch abgerechnet mit Entwicklungen, die - aus Sicht der Autoren - nicht gerade wünschenswert waren. Autor Hermann Münzel hält ein flammendes Plädoyer für den OB-Kandidaten Klaus Jensen. Bernd Sauerborn erzählt von einem Cream-Revival-Konzert in London, dem wiederum ein Interview mit dem deutschen Schock-Rapper Bushido gegenübersteht. Was natürlich nicht fehlt, ist Dominik Heinrichs Abrechnung mit dem Paulinus-Center, einer umstrittenen Baumaßnahme in der Fleischstraße. Erfrischend und ehrlich: Stadtrat Thomas Eggers sehr persönlicher Erfahrungsbericht über sein erstes Jahr im Stadtrat, der zeigt, wie sich die kleinste Rats-Fraktion (FDP) wacker behauptet und das kommunalpolitische Geschäft lernt. Einen Geschichts-Ausflug macht Rudolf Müller, der die Entwicklung des Rheinisch-Westfälischen Elektrizätswerks skizziert und nach Gründen für den großen Stromausfall am 2. September 2004 sucht. Freilich findet auch er keinen einleuchtenden Grund. Die Wahrheit ist wohl "irgendwo da draußen". Kurzum: Das Jahrbuch bringt die gewohnte kritische literarische Kost, die aber wenige Überraschungen bringt. Wird Zeit, dass die Katz ihre Krallen wieder schärft. Katz 2006, 138 Seiten, sechs Euro, erhältlich im Trierer Buchhandel.

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