Kein Klo im Zug: Harte Kritik an der Bahn

Trier · Toiletten in Regionalbahnen sind keine Pflicht – diese Haltung vertritt die Deutsche Bahn AG. Der Zweckverband Schienenpersonennahverkehr (SPNV) Nord sieht das ganz anders. Ein spannender Konflikt, da dieser Verband die Leistungen im Regionalverkehr bestellt und vergibt. Zu dieser Bestellung gehören auch funktionierende Klos.

Thomas Geyer, der Verbandsdirektor des SPNV Nord, und die Bahn sind enge und langjährige Partner. Normalerweise. Doch aktuell ist Geyer nicht froh mit der Vorgehensweise seines Partners. "Dieser Fall ist höchst ärgerlich", sagt der Verkehrsmanager. "Ich habe wenig Verständnis dafür, dass die Bahn dieses Urteil nicht akzeptiert."
Mit "diesem Fall" meint Thomas Geyer einen Rechtsstreit zwischen der Deutschen Bahn AG und einer Frau aus Trier. Sie war Passagierin einer Regionalbahn von Koblenz nach Trier und fand darin keine funktionierende Toilette. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, und ihr widerfuhr ein Malheur. Das Amtsgericht gab ihrer Klage statt und verurteilte die Bahn zu einem Schadenersatz in Höhe von 200 Euro. Doch der Konzern zahlte nicht, sondern ging in Berufung (der TV berichtete). Am 29. Januar geht der Prozess weiter.

Keine rechtliche Pflicht

Die Bahn lehnt jede Verantwortung für das Malheur ihrer Kundin ab und argumentiert, es bestehe keine rechtliche und gesetzliche Pflicht, in jedem Zug des Nahverkehrs eine Toilette bereitzustellen. Ihr Grundsatz: Der Fahrgast muss selbst organisieren, wann, wo und wie er darf, wenn er mal muss.

Thomas Geyer hat für diese Haltung kein Verständnis und trennt zwischen juristischen Fakten und dem oft beschworenen gesunden Menschenverstand. "Es mag juristisch korrekt sein, dass der Reisende selbst keinen unmittelbaren Anspruch auf eine funktionsfähige Toilette im Nahverkehr hat", sagt er. "Gleichwohl ist das Verkehrsunternehmen DB Regio zumindest im Verantwortungsbereich des SPNV Nord, also auch in der Region Trier, selbstverständlich in der Pflicht, in allen Zügen des Nahverkehrs funktionsfähige Toiletten vorzuhalten." Daran könne es gar keinen Zweifel geben, denn "das ist eine absolute Selbstverständlichkeit und gehört schlicht und ergreifend zu den Mindeststandards im Nahverkehr auf der Schiene".

Doch die Bahn sei nicht nur logisch, sondern tatsächlich auch rechtlich in der Pflicht. Das legen die Verträge mit dem SPNV Nord fest. "Sollte es in einzelnen Fällen zu Funktionsstörungen einer Toilette kommen, ist die Bahn verpflichtet, diese unverzüglich zu beseitigen. Werden dafür die in unseren Verkehrsverträgen festgelegten Fristen überschritten, fallen Vertragsstrafen an", sagt Geyer. Das ist nicht alles: "Inzwischen haben wir die Anforderungen teilweise sogar noch erhöht. So müssen Züge ab einer gewissen Größe regelmäßig über zwei Toiletten verfügen."

Wenn das alles so ist - warum vertritt die Bahn dann eine offenbar aussichtslose Position vor Gericht, anstatt einfach die 200 Euro Schmerzensgeld zu zahlen und sich bei ihrer Kundin zu entschuldigen, wenn möglich ernsthaft und überzeugend? Die Frage bleibt offen. "Ich bitte um Verständnis, dass wir uns nicht zum laufenden Verfahren äußern", sagt Holger Bajohra, stellvertretender Sprecher der Abteilung Kommunikation Wirtschaft, Recht und Regulierung der Deutschen Bahn AG in Berlin.

Meinung

Die Bahn muss verlieren

Mal im Zweifel für den Angeklagten: Kein Manager der Bahn wird ernsthaft daran glauben, einen funktionierenden Nahverkehr ohne Zugtoiletten auf die Beine stellen zu können. Denn das wäre einfach nur dumm. Der Widerstand gegen das Trierer Urteil ist viel mehr ein juristischer Kniff, um zukünftige Schadenersatzurteile aufgrund fehlender oder kaputter Klos zu verhindern.
Doch diese Haltung der Bahn entlarvt die dahinter stehende Philosophie: Wir laden unsere technischen, personellen und strukturellen Probleme einfach bei unseren zahlenden Kunden ab. Wenn diese Kunden Verspätungen, Ausfälle, defekte Lüftungen und Klimaanlagen und völlig überfüllte Züge akzeptieren, und das tun sie täglich, dann können sie es auch verkraften, auf der Fahrt von Köln oder Koblenz nach Trier keine Toilette zu finden.
Aufgrund dieser Philosophie hat die Bahn es verdient, den Trierer Prozess zu verlieren. Mit Pauken und Trompeten.
j.pistorius@volksfreund.de

Zum Artikel "Bahn sagt: kein Klo im Nahverkehr" (TV vom 22. Dezember) erhielt die Redaktion viele Leserbriefe. Einige Ausschnitte:
"Mit fadenscheinigen Argumenten will die Bahn sich aus der Affäre ziehen." (Marco Berweiler, Trier)
"Diese Argumente können nur von einem Management kommen, das nicht weiß, was Zugfahren ist." (Rainer Feilen, Irsch)
"Die Bahn muss einfach bei jedem Halt eine Pinkelpause einführen." (Josef Käser, Kradenbach)
"Die Bahn sollte auch an kranke und ältere Menschen denken." (Andrea Oberbillig, Trier) jp

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