Kein Platz für kranke Kinder

TRIER. Die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Trierer Mutterhaus ist permanent überbelegt. Die Warteliste ist lang: Rund 50 Kinder aus der Region warten darauf, aufgenommen zu werden, viele bereits seit einem Jahr. Und es werden mehr.

Das Trierer Mutterhaus beherbergt die einzige stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie für die Landkreise Bitburg-Prüm, Daun, Bernkastel-Wittlich, Trier-Saarburg und Birkenfeld. Die für 20 Patienten vorgesehenen Stationen sind ständig überbelegt. Neben Kindern aus "schwierigen Verhältnissen" werden vermehrt Jugendliche mit psychischen Schäden nach Drogenkonsum eingewiesen. "In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl verdreifacht", sagt Chefarzt Alexander Marcus. Ursache seien potenteres Haschisch und neue synthetische Rauschmittel. Viele, denen Drogen eine Schizophrenie beschert haben oder die an anderen psychischen Erkrankungen leiden, bleiben allerdings unbehandelt: "Neun bis zwölf Monate kann es dauern, bis ein Platz frei wird", sagt Marcus. Nur die dringlichsten Fälle könnten sofort aufgenommen werden. "Manchmal entlassen wir aus Platzgründen, obwohl dem Patienten ein längerer Aufenthalt durchaus gut getan hätte. " Auch in den Nachsorgeeinrichtungen sind sechs Monate Wartezeit üblich. Die Folgen sind unabsehbar: "Kinder, die keine Hilfe bekommen, schaffen häufig nicht den Schulabschluss, finden keinen Einstieg ins Berufsleben. Bei Drogen kommt oft Kriminalität dazu. Der Abstieg in die Sozialhilfe ist dann programmiert", sagt Manfred Grüter, Direktor am Amtsgericht Saarburg und Leiter der gesetzlich geforderten Psychiatrie-Besuchskommission. Mit einem unabhängigen Arzt, Betroffenen und Betreuern besucht Grüter jährlich das Mutterhaus. Sein jüngster Bericht bemängelt auch die geringe Zahl niedergelassener Kinder- und Jugendpsychiater in der Region. Lediglich drei Fachärzte in Trier könnten den Bedarf in den Landkreisen und der Stadt nicht decken. Die Ärztezahl auszuweiten sei allerdings schwierig: An der einzigen medizinischen Hochschule in Rheinland-Pfalz in Mainz gibt es keinen Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie. "Mainzer Medizinstudenten hören nicht eine einzige Vorlesung aus diesem Bereich", bestätigt Marcus. Entsprechend gering sei die Anzahl derer, die eine Facharztausbildung zum Kinder- und Jugendpsychiater absolvieren. "Die Kommunen können nicht mehr Ärzte anlocken. Aber die Einrichtung eines Lehrstuhls in Mainz würde langfristig Abhilfe schaffen", sagt Grüter. "Ließe sich wenigstens in Bitburg und Wittlich je ein Facharzt nieder, wäre schon viel geholfen", sagt Marcus. Bis zum Herbst wird die Psychiatrie im Mutterhaus umgebaut. Dann stehen 30 Betten zur Verfügung. "Wo die zusätzlichen Ärzte herkommen sollen, wissen wir allerdings noch nicht", sagt Marcus.HINTERGRUND SEITE 10

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