Keine Einladung zum Einkauf

TRIER. Die Neustraße ist eine der interessantesten Einkaufsstraßen Triers. Doch bis zu den inhabergeführten Geschäften im hinteren Teil verirren sich Touristen nur selten: Eine große vergammelte Fassade im Eingangsbereich zu diesem Straßenabschnitt schreckt ab.

Ein Bummel durch die Neustraße lohnt: Kleine Geschäfte bieten ein außergewöhnliches Sortiment. In einer Interessengemeinschaft engagieren sich die Geschäftsleute für das Erscheinungsbild "ihrer" Straße, organisieren Frühlingsfeste und Modenschauen. Einen Namen hat sich die Straße nicht nur mit dem weltbekannten Modeschmuck-Atelier "Konplott" gemacht, sondern auch mit einer der exklusivsten Parfümerien Triers und den Einrichtungsläden mit außergewöhnlichem Sortiment. Bei "Needful Things" drängen sich dicht an dicht antike Möbel, Kult-Comics, Lampen aus den 50ern, alte Porzellan-Services und rahmengenähte Herrenschuhe. Atmosphäre schaffen kratzig klingende 20er-Jahre-Schlager aus dem hauseigenen Grammophon. Weiter geht es in der Neustraße, in der mehrere Hausfassaden unter Denkmalschutz stehen, mit ökologischer Mode, Kunst, Silberschmuck, einem Spezialgeschäft für Schirme und Stöcke, mit Wohnaccessoires, hochwertigem Spielzeug, kleineren Schuhgeschäften, einem kleinen, aber feinen Buchladen, chicen Frisörläden und dem Esoterik-Shop "Mondstein". Luxusladen neben Gammelhäusern

Trotzdem wirkt das Schild an der Ecke Kapuzinergasse fast ironisch: "Hier beginnen 400 Meter Einkaufsvergnügen". Denn darunter gammelt das ehemaligen Meinelt-Modehauses seit Jahren vor sich hin. Die großen Schaufenster sind teilweise gesprungen, der Putz ist dreckig. Die Werbelettern eines Versicherungs-Schriftzugs haben fleckig-gelbe Spuren hinterlassen. Hinter der schmutzigen Glasfront sind Mülltonnen und Eimer zu erkennen, die offensichtlich durch die Zwischendecke tropfendes Wasser auffangen sollen. An die beinahe sieben Meter breite Gammel-Fassade schließt sich die Front des Hauses Nummer 84 an - dessen Besitzerin das Anwesen seit Jahrzehnten dem Verfall überlässt. Vor wenigen Tagen erzwang sich die Stadt Zugang (der TV berichtete): Zerfallenes Dach und hinterer Anbau mussten auf Anraten des Gesundheitsamtes mit Netzen "taubensicher" gemacht werden. Die Gesundheitsgefahr, die von den hunderten im Haus nistenden Tauben und deren Dreck ausgehe, müsse eingedämmt werden, teilte die Stadt mit. Gegen die optische Verschandelung ist das Rathaus machtlos: "Beide Immobilien sind in Privatbesitz, wir haben keinen Einfluss auf das Erscheinungsbild", bedauert der städtische Pressesprecher Jürgen Backes. Die Geschäftleute leiden unter dem hässlichen Entree zum zweiten Teil der Neustraße: "Wir verkaufen hier Luxus-Produkte, die man sonst nicht in Trier bekommt und müssen unsere Kunden an diesen hässlichen Bruchbuden vorbeilotsen", sagt Edith Lücke, Inhaberin der gleichnamigen Parfümerie. "Ich beobachte häufig, dass Touristen angesichts der hässlichen Fassade auf dem Absatz kehrtmachen." "Die Neustraße ist eine der schönsten Straßen Triers - aber die beiden Häuser vorne stören heftig", sagt "Needful Things"-Inhaber Uli Massury. Von der Stadt erwartet der Geschäftsmann wenig: "Die ruhen sich doch auf ihren römischen Bauten aus und greifen sonst kaum ein." Autos parken Schaufenster zu

Im April haben sich zwei junge Trierer Modedesignerinnen mit ihrem Atelier "Prusselise" in der Neustraße niedergelassen. "Das Geschäft läuft, weil unsere Kunden wissen, dass wir hier sind", sagt Katrin Greve. Aber selbst beim Käuferansturm an Maria Himmelfahrt - Feiertag im Saarland und in Luxemburg - hätte sich kaum jemand bis in die hintere Neustraße verirrt. "Die sehen die Ruinen vorne und denken, das Weiterlaufen lohne sich nicht", ergänzt Prusselise-Kollegin Julia Schwab. Vor ihrem Schaufenster mit den quietsch-bunten Taschen, Hemdchen und Blusen parkt ein Kleinbus ein. "Warum hat die Stadt hier noch vier Parkplätze eingerichtet?", fragt Julia Schwab. "Das grenzt uns doch optisch noch stärker von der Fußgängerzone ab. Und die Schaufenster sind laufend zugeparkt." Die Interessengemeinschaft Neustraße engagiert sich seit Jahren dafür, dass die Parkplatzsituation geändert wird. "Die Plätze dienen dazu, dass Kunden möglichst nahe bei den Neustraße-Geschäften parken können", erklärt Rathaus-Sprecher Backes. Rechtlich sei das kein Problem: "Ab der Pfützenstraße gilt die Neustraße nicht mehr als Fußgängerzone, sondern als verkehrsberuhigter Bereich."Wie ist Ihre Meinung zu der Entwicklung der Neustraße? Ihre Zuschrift sollte eine Länge von 30 Zeilen à 30 Anschläge nicht überschreiten. Veröffentlicht werden kann sie nur, wenn der Redaktion der vollständige Name und die Adresse des Autors bekannt ist.

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