Kicken im Knast: Profis hinter Gittern
WITTLICH. Knast trifft Fußball: Harry Koch und Carsten Marell, zwei Spieler von Eintracht Trier, besuchten Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Wittlich. Die beiden Profis standen dutzenden Jungs Rede und Antwort und demonstrierten beim Torwand-Schießen ihr Ballgefühl.
Nach der Trainingseinheit duschen, anschließend gemeinsam zu Abend essen, noch ein bisschen zusammensitzen und um 23 Uhr ins Bett. Nein, es waren keine Strafgefangenen, die hier ihren Alltag beschrieben, sondern Harry Koch und Carsten Marell, zwei Abwehrspieler von der Trierer Eintracht, die aus dem Trainingslager plauderten. "Nur, dass bei uns der Trainer rundgeht und die Nachtruhe kontrolliert." Ja, man müsse sich halt schon an die Regeln halten. Das haben die Insassen der Jugendstrafanstalt nicht getan, und darum sind sie hier, in der Justizvollzugsanstalt. Doch an diesem Tag geht es nicht um Besserung, Erziehung und Strafe. Heute haben die Jungs Besuch: Zwei echte Fußballer, die sie aus dem Fernsehen kennen, manch einer auch aus dem Stadion, haben sich hinter den Stacheldraht getraut. Zu verdanken haben die Häftlinge diesen Besuch einer Männerfreundschaft. Ottmar Max, einer der mit dem Sport betrauten Justizangestellten, wohnt neben Eintracht-Spieler Harry Koch, und der ließ sich nicht zweimal bitten. Seinen Kollegen Carsten Marell hat er gleich mitgebracht. Beide stellen sich in der JVA-Turnhalle den Fragen der Männer. "Nur sechs Punkte bis zum Abstieg", sagt einer, "das ist ja ziemlich eng da unten." "Ja, die zweite Liga ist kompakt", bestätigt Eintrachtler Harry Koch, "Frankfurt, Köln, die wollen natürlich alle aufsteigen."Möglicher Stadionbau interessiert auch im Knast
Ein anderes heißes Thema interessiert auch hinter Gittern: "Bekommt ihr denn nun ein neues Stadion?" Die Frage beantwortet Ralf Wigger, der Eintracht-Mann für Öffentlichkeitsarbeit. In eineinhalb Jahren, schätzt er, sei es so weit. Achim Roos, Sport-Chef in der Anstalt, gibt sich als alter Lautern-Fan zu erkennen. Dort hat Harry Koch lange gespielt. Alles, was ein Fußballer-Leben ausmache, habe er mit dem Pfälzer Verein mitgemacht: "Abstieg, in der Woche drauf Pokalsieg, gleich wieder aufgestiegen, den Meister gemacht, Verletzungen..." Ein anderes Thema, das die Häftlinge interessiert, sind die Verdienstmöglichkeiten im Profi-Fußball: In der ersten Liga sei man ja unter Millionären, wie viel man denn bei Eintracht Trier verdienen könne, möchten sie wissen. "Ich komme nicht von den Millionären, ich komme von einem Arbeiterverein!", stellt Koch klar. Marell kommt von den Stuttgarter Kickers. Zwischen 2000 und 9000 Euro geben die beiden als Verdienstmöglichkeit an. Doch das glauben die Gefangenen nicht ganz. Auch seine Idole offenbart der hohe Besuch: Für Marell ist es Alan Simonsen von Borussia Mönchengladbach. "Der war auch nicht viel größer als ich", erinnert sich Marell. Kochs fußballerisches Vorbild war Fritz Walter. "Der hat für mich absolut alles verkörpert, was einen Fußballer ausmacht." Der zwölfte Mann: Fans puschen die Spieler Anstaltsleiter Otto Schmid, von einem seiner Söhne, einem glühenden Eintracht-Fan, für dieses Ereignis mit Fan-Schal und -Mütze ausgestattet, hat eine Frage: Ob die Trierer Kicker mit ihren Fans zufrieden sind? Ja, das sind sie, bestätigen Koch und Marell. In den entscheidenden Momenten, wenn ein Hänger im Spiel ist, puschen sie ihre Spieler - das sei vielleicht das Wichtigste. Vom Schiedsrichter mit der Kamera halten die beiden Eintracht-Profis nichts. Koch: "Das würde uns nicht viel weiterhelfen." Er empfiehlt den Blick nach England. Da würden Spieler, die sich dreimal überschlagen nach einem Foul, das keines war, vom ganzen Stadion ausgepfiffen. Eintracht-Pressesprecher Wigger verspricht jenen Gefangenen, die aufgrund ihrer guten Führung und ihrer glänzenden Leistungen im Sport eine Außenerlaubnis fürs Spielen haben, Eintrittskarten für ein Heimspiel der Trierer. Und auch die Häftlinge haben ein Geschenk für den hohen Besuch: Sie überreichen einen zweifarbigen hölzernen Fußball, hergestellt in der hauseigenen Schreinerei. Danach schreiben Koch und Marell fleißig Autogramme, und dann kommt der Höhepunkt: Die beiden Eintracht-Kicker treten zum Torwandschießen an. "And the winner is" - trotz der gebrochenen Hand aus dem Spiel gegen Essen - Harry Koch.