Kinderhorte bleiben Mangelware

TRIER. Dringend gesucht: Hortplätze für Grundschulkinder. Für Marianna Bürger aus Mertesdorf lassen sich Studium und Familie nicht vereinbaren.

Im Wintersemester 1998/1999 studierte Marianna Bürger ein Semester Germanistik und Geschichte an der Universität Trier. Dann heiratete sie einen Mann, der vier Kinder mit in die Ehe brachte. Tobias, Achim, Andreas und Ingo waren damals zwischen drei und elf Jahre alt. Weil sie eine Betreuung brauchten und Marianna Bürgers Mann Schichtarbeiter ist, gab sie das Studium auf. "Ich konnte Studium und Kinderbetreuung nicht vereinbaren", sagt die heute 26-Jährige, "die Grundschule betreut nur bis 1 oder 2 Uhr. Der Kindergarten hat zwar eine Nachmittagsgruppe, aber für die Mittagszeit muss man die Kinder abholen." Bis heute hat Marianna Bürger zwei weitere Kinder - Michael und Johannes - bekommen, die nun achtköpfige Familie lebt in Mertesdorf. "Das ist auch ein Problem: Die Busanbindung zwischen Mertesdorf und der Uni ist schwierig." An die Uni wandte sich die plötzliche Mutter nicht: "Ich habe da keine Aussicht gesehen." Ganz falsch liegt sie damit nicht, meint Jörg Zisterer vom Verein "Perspektive", der Unterstützung für Studierende in Notlagen bietet: "Die Uni sagt, sie ist für die Lehre zuständig. Um alles Soziale kümmert sich das Studierendenwerk." Zwar gibt es zwei Kindergruppen an der Uni: den "Krümeltreff" vom Studierendenwerk und den "Flohzirkus", dessen Träger der Verein "Perspektive" ist und bei dem sich die Eltern selbstorganisiert die Betreuung teilen. Beide Gruppen aber nehmen nur Kinder bis zu sechs Jahren auf. Marianna Bürger braucht Hortplätze: "Horte bieten Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder. Allerdings sind die Plätze begehrt, und beide Horte nahe der Uni sind gnadenlos überlastet", erklärt Zisterer. Marianna Bürger sagt, dass sie das Konzept der Selbstorganisation, wie beim "Flohzirkus", gut finde und ihren Teil der Betreuung gern leisten würde. "Gäbe es eine solche Einrichtung an der Uni, würde ich weiter studieren", sagt Bürger. Doch so etwas existiert an der Uni nicht. Zisterer erläutert die Probleme: "Die Betreuungslast ist für Horte höher: Die Gruppen müssen kleiner sein, man braucht Mittagessen, Hausaufgabenhilfe und mehr Betreuer. Außerdem arbeiten Horte meist eng mit der Grundschule zusammen. Die Schule für ein Kind bestimmt aber normalerweise der Wohnort." In Mertesdorf gibt es keinen Hort. Dabei wäre dieser für Familien ab vier Kindern - wie die Bürgers sind - sogar kostenlos. Der Fall Marianna Bürger zeigt auf ein generelles Problem. Zisterer erläutert: "Es gibt ein Recht auf den Kindergartenplatz, deshalb ist die Versorgung da in Ordnung. Aber Krabbelgruppen für Ein- bis Dreijährige und Horte für Sechs- bis Zehnjährige sind Mangelware - in ganz Deutschland." Zisterers Ansicht nach kann die Studienzeit eine gute Zeit sein, um Kinder zu bekommen: "Man ist nie mehr so flexibel. Und es ist besser, ein paar Semester länger zu studieren, als aus einem regulären Arbeitsplatz auszusteigen." Aber es komme immer auf die persönliche Situation an. Für Marianna Bürgers Studium sieht es schlecht aus. Als Lösung kann Zisterer nur die Tagesmutter vorschlagen. "Zu teuer", winkt Marianna Bürger ab. So kann sie nur warten, bis die Kinder der Betreuungszeit entwachsen sind. Zum Studieren ist es in fünf Jahren ja noch nicht zu spät.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort