Kindermoden statt frischer Brötchen

FILSCH. Fast völlig verschwunden sind Filschs einstige Geschäfte - lediglich ein Bekleidungsgeschäft und ein Frisör halten noch die Stellung. Gut versorgt können sich die Stadtteilbewohner dennoch fühlen: bis zum Einkaufszentrum in Tarforst ist es nur ein kurzer Weg.

 Stammkundin in Ulla‘s Lädchen: Josefine Fink und ihre Enkelin Melina wissen das Second-Hand-Angebot zu schätzen.Foto: Marcus Stölb

Stammkundin in Ulla‘s Lädchen: Josefine Fink und ihre Enkelin Melina wissen das Second-Hand-Angebot zu schätzen.Foto: Marcus Stölb

Melina zögert noch ein wenig: "Komm, probier' es doch mal an", versucht Oma Josefine die Enkelin für das sommerliche Kleidchen zu begeistern. Mit Erfolg: Keine zwei Minuten später turnt die Vierjährige im blaubunten Stoff durch die Ahrstraße, dort, wo an diesem wie jedem Samstagmorgen "Ullas Lädchen" geöffnet hat; ein Unikum, und das nicht nur, weil es das einzige Geschäft ist, das Filsch noch aufzubieten hat. Wo heute Blusen und Röcke angeboten werden, verkaufte Ulla Leis einst Brötchen und Rosinenweck. Vor drei Jahren gab die "Ur-Filscherin" ihren Backshop auf und beendete damit auch die Tradition ihrer Eltern: Viele Jahre lang hatte die Bäckerei Alex Braun die Filscher mit ihrem täglichen Brot versorgt. "Das ist mehr ein Hobby", sagt Ulla Leis über ihre noch junge Geschäftsidee. "Absolut neuwertige Second-Hand-Mode für Kinder und Erwachsene" bietet sie laut Eigendarstellung an. Die Kunden kämen aus der ganzen Region, auch aus Luxemburg würden welche anreisen. Den Schritt vom Back- zum Bekleidungsgewerbe habe sie nie bereut, sagt Ulla Leis. Außer ihr hält nur noch der Friseursalon Faldey die Stellung in einem ansonsten von Einzelhandel und Dienstleistung "befreiten" Stadtteil. Keine Post, keine Sparkasse, keine Lebensmittel. Es gibt keine Schule, und auch einen Kindergarten sucht man vergeblich. Selbst der "Sonntagsgottesdienst" findet hier am Montagabend statt. Dennoch fühlen sich die meisten Filscher optimal versorgt: "Ich fahre einfach nach Tarforst, da bekomme ich ja alles, was ich brauche", sagt Josefine Fink. Wer nicht mobil ist, spaziert zum Einkaufszentrum im Nachbarstadtteil. Doch was im Sommer kein Problem ist, kann im Winter schon mal zu einer dunklen Angelegenheit werden. Ortsvorsteher Karl-Josef Gilles: "Wir brauchen eine bessere Beleuchtung auf dem Weg, denn auf rund 400 Metern Länge klafft eine Lücke." Gilles lobt auch das Angebot mobiler Back- und Lebensmittelshops, die regelmäßig Station in Filsch machen; eine ideale Ergänzung gerade für ältere Stadtteilbewohner. Station macht alle 14 Tage auch der städtische Bücherbus, in dem sich die Filscher mit Lesefutter versorgen können. Gleich neben dem Bolz- und Basketballplatz hält die fahrende Bücherei. Wenn das Angebot direkt vor Ort auch bescheiden ist, so wissen doch auch Auswärtige die Vorzüge des Stadtteils zu schätzen. Marius zum Beispiel, der neunjährige Enkel von Josefine Fink. Gemeinsam mit Schwesterchen Melina ist er regelmäßig zu Besuch bei der Oma in Filsch. "Mir gefällt es hier besser als bei uns", sagt Marius, der aus der Nähe von Mainz kommt. "Hier kann ich viel besser spielen." Morgen: Die 1030-jährige Geschichte von Filsch.

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