Kitsch als Kunst

TRIER. Ramsch in der Europäischen Kunstakademie? Verfolgt man die Wurzeln des Begriffs Kitsch müsste man derartiges befürchten. Doch die Werke der diesjährigen Dozentenausstellung setzen sich mit dem Klitsch-Klischee kontrovers auseinander, frei nach dem Motto: "Kitsch – as Kitsch can".

München, spätes 19. Jahrhundert auf einem Kunstmarkt. "Schrecklich, wie der Handel die Werke verkitscht", raunt eine hellhäutige Dame im Schutz ihres Spitzen-Sonnenschirms ihrer Nachbarin zu, die aufmerksam die Arbeit eines stadtbekannten Malers mustert. Wahrlich, das Preisniveau macht deutlich, dass die Werke weit unter Wert verkauft werden. Das süddeutsche "verkitschen" bedeutet nichts anderes als verramschen. Offenbar ist die Geiz-ist-geil-Mentalität durchaus historischen Ursprungs. Auch heute vertragen sich Kitsch und Kunst nicht wirklich gut - zumindest nicht nach landläufiger Meinung. Kunst zielt auf Niveau, Kitsch schielt bestenfalls in Form von Omas röhrendem Hirsch vom verstaubten Kaminsims. Genau diese Spannung haben 20 der insgesamt 60 Dozenten der europäischen Kunstakademie ausgeschöpft und in vielfacher Ausprägung thematisiert. Während Martin Mohr eine bunt verkleckste Malerjeans in einer Glasvitrine als "heiligen Rock" aufbahrt, lässt Francesco Cataldi gleich drei Berlusconi-Blumen-Ballons aus einer Glasvase steigen. Da würde mit dem italienischen Staatschef sicherlich das südländische Temperament durchgehen, sähe er, dass er hier auf heiße Luft reduziert wird. Auf einer Tupperware-Party würde sich die Arbeit von Katrin Angele gut machen. Mit ihren pastellfarbenen Plastikrahmungen verleiht sie ihren Zeichnungen eine weiche Note. Der Titel zeigt den humorvollen Umgang mit dem Geschaffenen: "Zeichnungen im Eimer". Dass die Exponate Eyecatcher sind, zeigt sich auch an den Kinder-Augen, die - in der Betrachtung von Kunst völlig unbefangen - kaum wissen, wo sie hinschauen sollen vor lauter qutieschbunten Kitsch-Ikonen. Ähnlich überwältigt scheint Gabriele Lohberg, Leiterin der europäischen Kunstakademie in der Luxemburger Straße. Sie ist derart gefangen von der Dynamik zwischen Kunst und Kitsch, dass ihr ein unfreiwilliger aber sehr anregender Begriffsmix entfleucht: "Wann wird aus Kutsch Kinst?"

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