Klares Ergebnis einer Befragung: Anwohner wollen Hindenburgstraße

Trier · Die Stadt Trier soll die Hindenburgstraße umbenennen - das hat der Stadtrat Anfang Februar beschlossen. Seitdem ringt die Verwaltung mit der schwierigen und komplexen Aufgabe, einen Straßennamen zu ändern und die Trie rer mitspielen zu lassen. Noch gibt es keine sichtbaren Fortschritte, dafür aber eine klare Ablehnung der Anwohner.

 Das ehemalige Hindenburg-Gymnasium Trier heißt heute Humboldt-Gymnasium (siehe Schild im Hintergrund). Die Straße davor trägt hingegen noch den alten Namen.

Das ehemalige Hindenburg-Gymnasium Trier heißt heute Humboldt-Gymnasium (siehe Schild im Hintergrund). Die Straße davor trägt hingegen noch den alten Namen.

Foto: Friedemann Vetter

Die Mehrheit der Grundstückseigentümer, Mieter und Unternehmer in der Hindenburgstraße stellt sich gegen eine Umbenennung. Dieses Meinungsbild ermittelte die Stadtverwaltung im ersten und bisher einzigen konkreten Schritt in der Umsetzung des Ratsbeschlusses vom Februar. Sie schrieb alle Anwohner der Hindenburgstraße an und bat sie, sich zu äußern.
Wie stehen Sie zu einer möglichen Umbenennung der Hindenburgstraße? Drei Alternativen konnten die Angeschriebenen ankreuzen: ja, nein und "keine Meinung". 65 Prozent der Anwohner antworteten, und 88 Prozent dieser Antworten zeigten das angekreuzte Nein.
Das ist ein nicht unbedingt optimales Ergebnis für die erste Etappe einer angestrebten Umbenennung, hat aber natürlich keine Rechtskraft. Der Ratsbeschluss gilt weiterhin. Sein Wortlaut: "Der Rat strebt die Umbenennung der Hindenburgstraße an." Diese Umbenennung soll "ein Beitrag zur aktiven Auseinandersetzung mit der Geschichte der Stadt Trier sein" - so formulierten es die Grünen in ihrem Antrag, der die Basis des Ratsbeschlusses vom Februar war (der TV berichtete).

Bürger direkt beteiligen

In Antrag und Beschluss heißt es wörtlich: "Die Verwaltung wird ferner beauftragt, die vorhandenen Instrumente der Bürgerbeteiligung für eine öffentliche Diskussion über einen neuen Straßennamen zu öffnen. Der Ortsbeirat und die Anwohner sind unmittelbar zu beteiligen." Die Beteiligung der Anwohner ist abgehakt. Die Bürgerbeteiligung und die öffentliche Diskussion haben noch nicht begonnen.
Wie der Begriff der Bürgerbeteiligung in diesem Kontext überhaupt umsetzbar ist, muss offenbar noch definiert und geregelt werden. Das Rathaus musste zuerst klären, wer denn überhaupt für diesen gesamten Prozess zuständig ist. Laut einer verwaltungsinternen Quelle setzten sich Oberbürgermeister Klaus Jensen und Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani schriftlich - ihre Büros liegen ein paar Schritte voneinander entfernt - darüber auseinander, wer die Regie bei der Umbenennung der Hindenburgstraße unter Beteiligung der Bürger übernehmen soll.
Das Ergebnis dieses Schriftwechsels meldet das Presseamt auf Anfrage des TV: "Da im Zuständigkeitskatalog des Dezernates IV auch Straßenbenennung vermerkt ist, sind nach Auffassung und Anweisung des Oberbürgermeisters entsprechende Aktivitäten vom Dezernat IV zu unternehmen." Das Dezernat IV ist das Baudezernat von Simone Kaes-Torchiani. Sie muss demnach die Bürger beteiligen und auch den Ortsbeirat Trier-Mitte/Gartenfeld einbinden. Welche Methoden oder Instrumente sie dafür nutzen wird, ist noch völlig offen.
Der Ortsbeirat hält sich zurück. Ortsvorsteher Dominik Heinrich, er ist Mitglied der Ratsfraktion der Grünen, betont: "Die Intention des Stadtratsbeschlusses war es, eine breite Diskussion um die Person Hindenburg zu führen und dessen Verantwortung bei der Auflösung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze darzulegen."

Ortsbeirat wartet ab

Die bisherige öffentliche Diskussion zeige, dass viele "die aktuellen Erkenntnisse der Geschichtswissenschaften über die Person Hindenburg sowie die Machtübergabe an den Nationalsozialismus nicht kennen". Dieser Wissensstand sei für die Diskussion einer Straßenumbenennung unabdingbar. Der Ortsbeirat, so Heinrich, könne erst dann über den Stadtratsbeschluss beraten und eine Umbenennung beschließen, wenn die Bürgerbeteiligung umgesetzt wurde. Der Ortsvorsteher hofft, das Gremium in der nächsten Sitzung am 16. Mai über den Stand der Dinge informieren zu können.Meinung

Die Umbenennung ist unnötig
Niemand würde ernsthaft auf die Idee kommen, Paul von Hindenburg aus der deutschen Geschichte zu streichen. Das wäre ebenso sinnlos wie unmöglich. Diese feste Position in den Geschichtsbüchern ist selbstverständlich keine Folge distanzloser Verehrung, sondern eine völlig pragmatische Anerkennung seiner Rolle, die mit Attributen wie "Held von Tannenberg" und "Steigbügelhalter Hitlers" nur bruchstückhaft und ungenau definiert ist. Auch die Benennung der Trierer Straße nach Paul von Hindenburg ist ein historisches Ereignis mit einem eigenen zeitlichen Kontext, dessen Beurteilung nach heutigen Begriffen der politischen Korrektheit keinen Sinn ergibt. Es ist einfach falsch, den Straßennamen heute noch als Auszeichnung Hindenburgs aufzufassen. Die Umbenennung ist unnötig. Sie will eine Ehrung beenden, die längst keine mehr ist, und eine Distanz herstellen, die längst existiert. j.pistorius@volksfreund.deExtra

Zwei historische Ereignisse prägten bisher in Trier die Diskussion um Paul von Hindenburg. In der Schlacht bei Tannenberg (1914) zerschlug die deutsche Armee die in Ostpreußen eingedrungenen russischen Streitkräfte. Dieser Sieg wurde als erster Triumph einer deutschen Armee im Ersten Weltkrieg propagandistisch überhöht. Paul von Hindenburg, damals Oberbefehlshaber der achten Armee, wurde zum Generaloberst und später zum Generalfeldmarschall befördert. Fortan galt er als Held von Tannenberg. 1925 wurde Hindenburg, damals 77 Jahre alt, als Nachfolger Friedrich Eberts zum Reichspräsidenten gewählt. Am 30. Januar 1933 ernannte er Adolf Hitler zum Reichskanzler. Mit der Unterzeichnung der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat setzte er die Grundrechte faktisch außer Kraft. jp

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