Ganz anders als im Tatort: Ein Trierer Pathologe erzählt von seiner Arbeit

Trier · Pathologen arbeiten nur mit toten Menschen? Das ist falsch. Das ein Pathologe eine Leiche untersucht ist selten. Genau und schnell zu arbeiten, das sind die Herausforderungen des Berufs. Dabei hilft modernste Technik.

Trier. Wer bei dem Pathologen Prof. Dr. Veit Krenn nach Parallelen zu US-Serienklassiker wie Quincy oder dem Tatort Gerichtsmediziner, Karl-Friedrich Boerne, der von Jan Josef Liefers gespielt wird, sucht, der sucht vergebens. Die Realität sieht anders aus: Krenn sitzt an seinem Schreibtisch und schaut durch ein Mikroskop. Er untersucht Gewebeproben. In ein Diktiergerät spricht er, was er sieht.

Viele Menschen haben von einem Pathologen ein ganz anderes Bild. Sie sehen einen Mann, der mit Skalpell am Tisch steht und Leichen untersucht. "Wir arbeiten zu 98 Prozent mit Gewebeproben von lebenden Menschen", stellt Krenn klar. "Mit toten Menschen haben wir hier fast gar nichts zu tun, genauso wenig wie mit unnatürlichen Todesursachen." Diese Fälle zu klären sei Aufgabe der Rechtsmediziner. Deswegen sieht sich Krenn eher als Dr. House - ein TV-Arzt, der knifflige Fälle löst - also jemanden, der versucht Menschen zu heilen, indem er genau hinschaut.
Hin und wieder hat der Pathologe, der bereits seit 30 Jahren den Job macht, dann doch mit Verstorbenen zu tun.

Traurige Fälle bleiben im Kopf

So erinnert sich Krenn an zwei besonders traurige Fälle: Ein 18-jähriger Eishockeyspieler, der während des Spiels starb. Bei ihm habe er einen Herzfehler nachweisen können, den vorher keiner bemerkt hätte. Auch an eine 25-Jährige erinnert er sich. Die junge Frau sei nach der Geburt ihrer Zwillinge gestorben. Sie sei verblutet, weil ihre Gebärmutter sich nicht zurückgebildet habe. "Das nimmt man dann schon mit nach Hause. Ich versuche, das alles rauszulaufen."

Doch das seien die Ausnahmen. In den meisten Fällen stellt ein Hautarzt beispielsweise einen ungewöhnlichen Leberfleck fest, mit Verdacht auf Krebs. Der Arzt schneidet den Fleck heraus und schickt die Probe nach Trier. Krenn und sein Team untersuchen die Gewebeprobe und schreiben einen Befund. Was einfach klingt, erfordert höchste Konzentration, Organisation und den Einsatz von modernster Technik. Zunächst wird die Probe in ganz dünne Scheiben geschnitten und anschließend auf Glasplättchen, sogenannte Objektträger gelegt, um sie unter dem Mikroskop untersuchen zu können. Außerdem werden die Proben gefärbt, um das Gewebe sichtbar zu machen. Zudem wird die Oberfläche des Gewebes untersucht. Das geschieht mit dem Vollautomaten für Immunhistochemie. "Es gibt mehr als 100 Krebsarten. Mit dem Gerät können wir genau bestimmen, um welche es sich handelt. Es ermöglicht uns, den Krebs gezielt zu bekämpfen."

Dabei müsse es gelegentlich auch schnell gehen. So zum Beispiel wenn ein Patient operiert wird. Wenn die Chirurgen während der Operation etwas Merkwürdiges entdecken, werde direkt eine Probe entnommen. Diese werde dann mit Blaulicht in die Pathologie geschickt. Noch während der Patient unter dem Messer läge, stellt Krenn dann eine Diagnose, Schnellschnitt nennen die Experten dieses Verfahren.
Unter dem Mikroskop von Krenn sieht der Krebs aus wie ein abstraktes Gemälde, fast wie Kunst. Das geübte Auge erkenne sofort, wenn es sich um Krebs handele. "Das ist wie wenn man chinesisch lernt. Nach vier Jahren kann man es."
Die Kunst war es auch, die den Österreicher Veit Krenn Pathologe werden ließ. Sein Vater sei freischaffender Künstler gewesen. Das habe dann dazu geführt, dass auch er einen Faible dafür bekommen habe. Die Pathologie sei im Grunde genommen nichts anderes als Kunst. "Auch hier muss ich Bilder lesen." Deswegen hat Krenn sich bereits im zweiten Semester seines Medizinstudiums in Wien für den Beruf des Pathologen entschieden. Dass Krenn Kunst und Medizin miteinander verbindet, zeigt ein Bild, das in seinem Büro hängt. Darauf ist ein tausendfach vergrößerter Meniskus zu sehen.
Auf die Frage, warum ausgerechnet ein Meniskus in seinem Büro hängt antwortet er: "Ich hänge mir doch keinen Krebs ins Zimmer."Extra

Ganz anders als im Tatort: Ein Trierer Pathologe erzählt von seiner Arbeit
Foto: (h_st )
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Veit Krenn arbeitet zusammen mit Jörg Kriegsmann (Geschäftsführer und Ärztlicher Leiter), Mike Otto (Geschäftsführer und stellvertretender Ärztlicher Leiter sowie Bernd Klosterhalfen (Geschäftsführer und Chefarzt der Pathologie des Krankenhaus Düren) im Medizinischen Versorgungszentrum für Histologie, Zytologie und Molekulare Diagnostik in Trier. Das Versorgungszentrum beschäftigt etwa 80 Mitarbeiter und wickelt täglich mehr als 2500 Proben ab. Die Kunden sind unter anderem regionale und überregionale Krankenhäuser sowie niedergelassene Ärzte aus Europa. Das Institut gibt es bereits seit 1951 und wurde von Harald König gegründet. Damals lag das Institut noch im Augustinerhof (heute Petrisberg). grau

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