"Kommen Sie mit allem, was da ist"

Trier · Bewegende Momente vor dem Landgericht Trier: Augenzeugen berichten, wie sie das tödliche Baumunglück vom November 2012 erlebt haben. Die fallende Kastanie hat eine Schülergruppe knapp verfehlt.

 Freunde und Verwandte gedenken nach dem Unglück der Verstorbenen mit Blumen und Kerzen. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Freunde und Verwandte gedenken nach dem Unglück der Verstorbenen mit Blumen und Kerzen. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Trier. Fast zwei Jahre sind vergangen, seit ein umstürzender Baum im Trierer Rautenstrauchpark zwei Fußgänger unter sich begraben hat. Eine 70 Jahre alte Frau starb noch vor Ort, ein 59-Jähriger wurde schwer verletzt und ist seitdem schwerbehindert. Die Erinnerung an dieses tragische Ereignis ist immer noch sehr intensiv und schmerzhaft - das zeigen am Montag die Aussagen mehrerer Augenzeugen. Sie müssen bereits zum zweiten Mal vor Gericht wiedergeben, was sie gesehen und gehört haben, denn die Berufungsverhandlung rollt den vor einem Jahr mit einem Schuldspruch abgeschlossenen Prozess wieder komplett von vorne auf (der TV berichtete).
Es fällt der 17-jährigen Schülerin sehr schwer, über das Geschehen zu reden. "Ich habe es hinter mir laut krachen gehört", sagt sie. Der Vorsitzende Richter Peter Egnolff muss sie mehrmals bitten, lauter zu sprechen. Maximal sechs Meter sei sie vom fallenden Baumstamm entfernt gewesen. "Es hätte auch Sie treffen können", hält der Richter fest.
17 Schüler waren in der Rautenstrauchstraße unterwegs, als die Kastanie in der Mittagszeit fiel. Der Stamm verletzte sie nicht, aber viele erlitten einen Schock und mussten versorgt werden.
"Wir haben geholfen, so gut wir konnten", sagt eine Mitarbeiterin des Restaurants und Cafés New Mintons im Zeugenstand. Der Baum fiel gegen die Außenwand des New Mintons und drückte im ersten Stock das Wohnzimmerfenster einer Wohnung ein, unter dem Sekunden vorher noch deren Mieter saß. "Ich habe gelesen, hörte plötzlich seltsame Geräusche und sah, dass etwas auf mein Fenster zukam", sagt er vor Gericht aus. "Dann kam mir auch schon das Fenster entgegen." Der 37-Jährige, der im New Mintons arbeitet, setzte den Notruf ab. "Ich habe Schreie auf der Straße gehört und bin runter, um zu helfen." Menschen sind verletzt, habe er dem Disponenten gesagt. "Kommen Sie mit allem, was da ist."
Kampf um Freispruch


Auf der Anklagebank sitzt ein 54-jähriger Mitarbeiter des Trierer Grünflächenamts. Das Amtsgericht hat ihn vor einem Jahr schuldig gesprochen und wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 4800 Euro verurteilt. Dagegen hat er Berufung eingelegt und kämpft jetzt zum zweiten Mal um einen Freispruch. Seine Basisargumentation: Er habe die Priorität, die kranke und morsche Kastanie genau zu überprüfen, damals nicht gesehen. Er habe sie nicht sehen können, da noch 100 weitere Bäume auf seiner Liste für eingehende Untersuchungen standen und der Baum im Rautenstrauchpark keine Anzeichen drohender Gefahr habe erkennen lassen.
Um genau diesen Punkt wird sich der nächste Verhandlungstag am morgigen Mittwoch drehen. Dann soll ein Mitarbeiter des Grünflächenamts und Vorarbeiter der Baumkolonne aussagen, der die Kastanie seinem Vorgesetzten - dem Angeklagten - vier Monate vor ihrem Sturz als auffällig und reif für eine intensive Zweitkontrolle gemeldet hat. Eine solche Kontrolle hat es nicht gegeben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort